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Calais Channel crossings & UK Solidarität

Zensurversuch gegen Warnhinweise

Laut Infomigrants und La Voix du Nord (€) hat eine britische Organisation mehrere von ihr finanziell unterstützte Organisationen in Calais, unter ihnen l’Auberge des migrants, Calais Food Collective, The Refugee Women Center, Refugee Info Bus und Maison Sesame aufgefordert, die Verteilung von Flugblättern einzustellen, auf denen vor den Gefahren einer Passage per Boot oder per LKW gewarnt wird und die Hinweise enthalten, wie Notlagen möglichst vermieden werden können und welche Verhaltensregeln im Falle einer Notlage befolgt werden sollten.

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Bislang keine britischen Rückführungsabkommen mit EU-Staaten

Wie die britische Zeitung Independent am 23. Mai 2021 berichtet, existieren bisher keine Rückführungsabkommen Großbritanniens mit EU-Staaten. Da das Brexit-Abkommen ebenfalls keine Regelung hierüber enthält, ist auch kein entsprechendes Abkommen mit der EU zu erwarten.

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Erhöhte Suizidgefahr am Gatwick Airport

Über das Scheitern der Operation Sillath und die Verhältnisse in einer britischen Abschiebehaftanstalt

„Die Umstände in Brook House im Zusammenhang mit dem Charterflugprogramm bedeuteten, dass es kein sicherer Ort für schutzbedürftige Männer war, die den Kanal in kleinen Booten überquert hatten. Dies zeigte sich in einem hohen Maß an Selbstverletzungen und Suizidgedanken.“ Mit dieser Feststellung umriss das Independent Monitoring Board, ein unabhängiges Kontrollgremium, am 21. Mai 2021 die Zustände im Abschiebehaftzentrum Brook House im Flughafen Gatwick von Juli bis Dezember 2020. Während dieser Zeit wurde die Einrichtung für die Inhaftierung von Geflüchteten genutzt, die den Ärmelkanal in kleinen Booten überquert hatten und ungewollt in den Fokus einer aufgeheizten populistischen Debatte geraten waren. Unter der Bezeichnung Operation Sillath reagierte die Regierung Johnson mit einer konzertierten Aktion, um möglichst viele Channel crossers in EU-Staaten – darunter die Bundesrepublik Deutschland – abzuschieben, bevor Großbritannien mit dem Brexit zur Jahreswende 2020/21 auch den Geltungsbereich der Dublin-Verordnung verließ und damit aus den Regularien für innereuropäische Abschiebungen ausschied (siehe hier, hier, hier und hier).

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Fast 2000 erfolgreiche Bootspassagen in diesem Jahr

Neun Boote mit 209 Geflüchteten an Bord erreichten in der Nacht vom 28. auf den 29. April 2021 von Frankreich aus Großbritannien. Es war die größte Anzahl erfolgreicher Channel crossings seit Jahresbeginn. Insgesamt haben in diesem Jahr nach Angaben der BBC bereits „mehr als 1.850“ Migrant_innen den Ärmelkanal in kleinen Booten passiert. Das rechte Portal Migration Watch spricht sogar von 2.004 Personen und schlägt die üblichen alarmistischen Töne an. Wieviele Migrant_innen genau es auch geschafft haben mögen – die schon im Februar und März sichtbare stärkere Frequentierung der Kanalroute (siehe hier und hier) hält an. Zum gleichen Zeitpunkt des vergangenen Jahres war weniger als tausend und im gesamten Jahr 2019 knapp zweitausend Personen die Bootspassage gelungen.

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Britischer Plan für eine Post-Brexit-Migrationspolitik

Titelseite des „New Plan für Immigation“. (Quelle: Home Office)

Am 24. März 2021 legte das britische Innenministerium seinen lange angekündigten Plan für eine Reform des Asyl- und Einwanderungsrechts vor. Das von Ministerin Priti Patel unterzeichnete Dokument stellt eine Vielzahl gesetzlicher und administrativer Neuregelungen vor, die in ihrer Gesamtheit auf ein wesentlich restriktiveres Migrationsregime der Post-Brexit-Phase hinauslaufen. Eine zentrale (auch argumentative) Rolle spielt dabei die Bekämpfung Channel crossings in kleinen Booten. Gleichzeitig haben die angekündigten Maßnahmen gravierende Auswirkungen auf alle Migrant_innen, die vom europäischen Festland nach Großbritannien zu gelangen versuchen. Das Papier kann zudem als eine abermalige Nachjustierung des britischen Grentregimes im doppelten Kontext des EU-Austritts und der Etablierung der Kanalroute (aktuell siehe hier) gelesen werden. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.

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Dreimal mehr Passagen

Hoheitsgrenze und Search and Rescue-Grenze im Ärmelkanal. (Quelle: BBC)

In der medialen Repräsentation der Bootspassagen nach Großbritannien spielen Rekordwerte eine zentrale Rolle. Im vergangenen Jahr wurden regelmäßig neue Tages- und Monatshöchstwerte gemeldet, bis schließlich ein neuer Jahresrekord von etwa achteinhalbtausend Personen erreicht war. Den Rekordmeldungen haftete dabei etwas Alarmistisches an, und dieser Ton wurde durch den britischen Boulevard, konservative Politiker_innen und rechte Aktivist_innen zum Szenario einer Invasion der Insel verdichtet. Nach langer Ankündigung legte die britische Regierung dann am 24. März 2021 Pläne eines Zweiklassen-Asylrechts vor, das sich explizit gegen die Channel crossers richtet (Analyse folgt). Zur gleichen Zeit wurde deutlich, dass die Kanalroute in den ersten drei Monaten dieses Jahres von sehr viel mehr Menschen erfolgreich genutzt wurde als im Vorjahr. Wie die BBC am 24. März, dem Tag der Veröffentlichung der Regierungspläne, meldete, haben seit Januar 1.045 Geflüchtete in Booten übergesetzt; im gleichen Zeitaum des Vorjahres waren es 338 gewesen. Die Zahl hat sich also verdreifacht, sodass sich eine Normalität andeutet, die die Rekordtage des vergangenen Jahres in den Schatten stellen dürfte.

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Boulogne-sur-Mer Channel crossings & UK

Ausweitung der Bootspassagen

Boot mit Migrant_innen bei Dieppe (Normandie) am 9. März 2021. (Foto: Préfecture maritime Manche et mer du Nord / Twitter)

In diesem Jahr sind bereits über 700 Geflüchtete per Boot von Frankreich nach Großbritannien gelangt, etwa doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Dynamik der Channel crossings dauert also unvermindert ab. Doch auch räumlich könnte sich das Gebiet ausweiten, in dem diese maritimen Grenzübertritte stattfinden: Am 9. März meldeten französische Behörden und Medien, dass von Dieppe in der Normandie erstmals ein Boot mit Migrant_innen in See gestochen sei. Die von dort aus zurückzulegende Strecke ist bedeutend länger als im Küstenabschnitt von Calais – und entsprechend riskanter.

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Am Beginn einer neuen Saison

Zurückgelassenes Schlauchboot an einem Strand bei Calais im Januar 2019. (Foto: Julia Druelle)

In einem der ersten Beiträge dieses Blogs berichteten wir im April 2020 über den zahlenmäßigen Anstieg der Bootspassagen nach Großbritannien (siehe hier). Damals war seit Jahresbeginn etwa 500 Menschen die Überfahrt gelungen – ein Viertel der erfolgreichen Passagen des gesamten Vorjahres. Nun, ein Jahr später, haben in nur zwei Moanten bereits 531 Menschen den Ärmelkanal in kleinen Booten durchquert. Die Dynamik dieser innereuropäischen maritimen Migrationsroute scheint damit ungebrochen zu sein. Ein weiteres Mal kündigte die britische Regierung nun ihre Schließung an, diesmal durch eine Angleichung des Strafmaßes für Menschenschmuggel an das Strafmaß für Mord.

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Feindliche Umgebung in Reinform

Ankunftsland UK (Teil 3): Die kalkulierte Unmenschlichkeit der Napier Barracks

Erbärmliche Lebensbedingungen, Suizidversuche, ein massiver Covid-Ausbruch: die Unterbringung von Asylbewerbern in einer Kaserne bei Folkestone sorgt seit Monaten für Kritik. In diesem Winter hat sie sich drastisch zugespitzt.

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Calais Channel crossings & UK

Brief einer Mutter über den Verlust ihres Kindes

Im September 2020 starb im Zusammenhang mit den Bootspassagen nach Großbritannien ein nur wenige Tage alter Säugling. Dieser Todesfall wurde erst jetzt bekannt, nachdem sich die Mutter in einem offenen Brief (siehe unten) an die Öffentlichkeit gewandt und die französische Polizei für den Verlust ihres Kindes verantwortlich gemachte hatte. Veröffentlicht wurde das Schreiben auf der Website der Calais Migrant Solidarity, die hierzu ergänzt: Das Mädchen Aleksandra H. wurde am 2. September 2020 geboren und starb am 5. September 2020 an perinataler Anoxie infolge einer Frühgeburt. Ihre Familie, so auch die hochschwangere Mutter, wurde an einem Strand von der Polizei abgefangen, nachdem sie versucht hatte, per Boot nach Großbritannien zu gelangen. Sie waren geschockt, durchnässt und froren, und obwohl sie um Hilfe baten, mussten sie mehr als fünf Stunden warten, bevor sie sich ins Krankenhaus begeben konnten. Vorher hatte die Frau keine medizinische Behandlung erhalten. Eine Notgeburt wurde durchgeführt, aber trotz der Bemühungen der Ärzt_innen überlebte das Baby nicht. Inzwischen haben die Eltern Klage eingereicht; durch den Brief möchte die Mutter erreichen, dass ihre Geschichte gehört wird.