Zunächst eine Vorbemerkung: Bisher haben wir den Begriff „Räumung“ benutzt. „Räumung“ bedeutet für uns, dass Gewalt oder Zwang angewendet wird. Aufgrund der aktuellen hohen gesundheitlichen Risiken der Migrant_innen im Jungle aufgrund der Corona-Epidemie scheint er uns im momentanen Kontext nicht treffend. Einen Transport in (Wohn-)Gebäude auf freiwilliger Basis sehen wir positiv und würden dies eher als „Evakuierung“ bezeichnen. Den Begriff „Auflösung“ nutzen wir künftig dann, wenn noch nicht abzusehen ist, ob es sich um eine „Räumung“ oder eine „Evakuierung“ handelt, also in der Regel im Vorfeld einer staatlicherseits geplanten Aktion.
Was ist geschehen? Die für den 31. März 2020 angekündigte Auflösung des Jungle von Calais wurde verschoben. Dies berichten übereinstimmend die Zeitungen La Voix du Nord und Mediacités Lille. Letztere berichtet zudem über die ersten beiden nachgewiesenen Corona-Infektionen im Jungle. In La Voix du Nord kündigt die Präfektur Pas-de-Calais an, dass die Behörden gerade die letzten Vorbereitungen träfen, damit die Maßnahme vor Ende dieser Woche durchgeführt werden könne.
Begründet wurde die Verschiebung von den Behörden mit Kapazitätsengpässen, da nicht ausreichend angemessene Unterkünfte, die dem in Frankreich geltenden Ausgehverbot gerecht würden, zur Verfügung stünden. Die Bedingungen im Jungle haben sich laut einer Mitteilung der zivilgesellschaftlichen Organisation Auberge des Migrants vom 1. April 2020 weiter verschlechtert. Nach der Refugee Community Kitchen, die in Zusammenarbeit mit der Auberge Mahlzeiten für Geflüchtete zubereitet und ihre Arbeit zuletzt aussetzen musste, hat nun auch die staatlich mandatierte Organisation La Vie Active, die Verteilung warmer Mahlzeiten eingestellt. Diese Organisation betrieb bislang in Kooperation mit der Präfektur eine Verteilungsstelle für Nahrungsmittel, in deren Umgebung sich 2019 der heutige Jungle bildete. Sie war die einzige behördliche Hilfeleistung dieser Art in Calais. Auch Mobiltelefone könnten dort nicht mehr aufgeladen werden, da hierfür keine Elektrizität mehr zur Verfügung stehe. Kontaktaufnahmen mit Rettungsdiensten oder Hilfsorganisationen seien somit fast nicht mehr möglich. Feuerholz, Decken und Zelte würden jedoch durch die Auberge des Migrants und ihre Partnerorganisationen verteilt.