Auch in Deutschland gibt es Gruppen, die humanitäre, solidarische und politische Arbeit mit Bezug auf Calais leisten. Einige von ihnen wollen wir auf diesem Blog vorstellen. So wurden etwa aus Düsseldorf im Jahr 2021 bereits zwei Transporte mit Spenden für die Exilierten organisiert. Ein dritter ist in Planung. Wir haben mit Benedikt Schmitz, dem Initiator dieser Düsseldorfer Hilfstransporte gesprochen.
Vier Tonnen Hilfsgüter von Düsseldorf nach Calais
Lebensmittel, Kleidung, Schlafsäcke und Zelte sind überlebensnotwendig für die Geflüchteten von Calais. Aber Anfang Januar – nach dem Brexit – war die Versorgungslücke besonders groß. Zusätzlich sorgte die Covid-19-Pandemie dafür, dass es an allem mangelte. Waren die Hilfsorganisationen in Calais vor dem Brexit noch überwiegend aus Großbritannien unterstützt und beliefert worden, so war seit dem 1. Januar 2021 der Warenfluß fast vollständig versiegt, und viele der Volunteers waren nicht mehr in der Lage, nach Calais zu reisen.
Seit Anfang des Jahres beobachtete Benedikt Schmitz, dass sich die LKWs in Dover zurückstauten, da sie nicht mehr nach Kontinentaleuropa durchkamen. Dies war für ihn Anlass, den langjährigen Kontakt zu Claire Moseley von Care4Calais wieder aufzunehmen. Die britische Organisation betreibt in Calais eines von mehreren warehouses: zivilgesellschaftliche Infrastrukturen zur Sammlung, Sortietung und Verteilung von Sachspenden und für den koordinierten Einsatz von Freiwilligen.
Das in Düsseldorf spontan geschlossene Bündnis zwischen der Flüchtlingsintiative Stay, dem Verein Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf (FwiD) und Benedikt Schmitz, griff auf bereits vorhandenen Beziehungen und Netzwerke zurück und realisierte am 27. März 2021 einen ersten improvisierten Transport. Ein Kleintransporter brachte Kleidung, Zelte und Decken von Düsseldorf nach Calais.
Bereits am 24. April 2021 gab es einen zweiten Transport mit dem Fokus auf Lebensmitteln, die in Frankreich teurer als in Deutschland sind. Care4Calais ermittelte den Bedarf vor Ort, die Düsseldorfer_innen formulierten daraus einen Spendenaufruf mit einer genauen Liste der benötigten Lebensmittel. Diesen verbreiteten sie zunächst nur mit Hilfe sozialer Medien, in der Hoffnung genug Spenden für eine erneute Fahrt des Kleintransporters zu sammeln.
Die Spendenbereitschaft war überwältigend und ging weit über Düsseldorfs Grenzen hinaus. Zusätzlich zu dem Kleintransporter musste ein 7,5-Tonnen-LKW organisiert werden, um die eingegangen Spenden nach Calais transportieren zu können.
Inzwischen hat man in Düsseldorf den nächsten Transport für den 22. Mai im Blick. Neben den immer benötigten Basics, sind dieses Mal ausdrücklich Pakete mit Hygieneartikeln im Fokus. Zusätzlich werden Spender_innen aufgefordert, sich mit nicht mehr benötigten Handys und Ladekabeln zu beteiligen, die in Calais von der Polizei immer wieder grundlos und rechtswidrig beschlagnahmt oder zerstört werden.
Überwältigend war auch die Berichterstattung in den Medien. Nach einer Reportage von Jan Jessen in der WAZ mit dem Titel Flüchtlinge von Calais – „in Europa sterben wir jeden Tag“, der den ersten Transport im März begleitete, griffen einige Tageszeitung dieses Thema auf. Die Erlebnisse und Begegnungen des zweiten Transports fasste Andreas Wyputta von der taz in einem sehr eindrücklichen Bericht zusammen, in welchem er uns unter anderem die Geschichte von Hassan aus Pakistan erzählt: Ich habe nichts und niemanden.
Es zeigt sich zum einen, welche Reichweite über die sozialen Medien erzeugt werden und welche enormen Wirkungen eine Initiative, wie die von Stay, FwiD und Care4Calais, erreichen kann. Benedikt Schmitz betont die Bedeutung von persönlichen Kontakten:
„Wäre stattdessen der Kontakt etwa zu Woodyard zusgtande gekommen, dann würde ich eben Holzfirmen und Händler_innen oder Förster_innen kontaktieren und ganze Bäume nach Calais bringen“. (Woodyard ist eine von mehreren anderen Initiativen, die unter dem Dach der Auberge des migrants, ein weiteres Warehouse in Calais betreibt und Brennholz für die Bewohner_innen der Camps sammelt und verteilt.)
Auf den Aufruf reagierten nicht nur Privatpersonen; auch Vereine, eine Pfadfindergruppe und verschiedene Unternehmer_innen sammelten großzügig Spenden, so dass neben dem Notwendigsten wie Zelte, Schlafsäcke, Kleidung, Handys und Ladekabel, mehr als 600 Lebensmittelpakete gepackt werden konnten.
Immer wieder wird Benedikt Schmitz gefragt, wie er den Spender_innen erkläre, dass die Zelte und Decken etwa alle zwei Tage im Zuge der Räumungen durch die Polizei zerstört würden, die gut gemeinten Spenden vielleicht nur wenige Tage halten. „Nachhaltig ist das Ganze nicht, aber augenblicklich die einzige Möglichkeit, Hilfe oder auch Abhilfe zu leisten, denn eine notwendige politische Lösung für diese Problematik scheint nicht gewollt“, gibt er zu bedenken. Er ist davon überzeugt, dass es keine britische Lösung geben wird, stattdessen würden „die Geflüchteten europäisches Treibgut bleiben und durch die Medien und die zunehmend nach rechts rückende Politik dämonisiert werden. Auch wenn sie es schaffen, nach Großbritannien zu gelangen: Sie sind und bleiben rechtlos, in ihrer prekären Situation gefangen und immer wieder der Ausbeutung ausgeliefert“.