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Unterkunft statt Obdachlosigkeit: Die Situation in Brüssel

Auch in Brüssel leben momentan ungefähr 500 Migrant_innen mit dem Migrationsziel Großbritannien. Die Corona-Pandemie veränderte auch ihre Lage. Zwar verschlossen die Behörden ihren wichtigsten Treffpunkt, den Maximilianpark. Dennoch wurde – anders als in Calais und Grande Synthe – rasch eine Unterbringungslösung für so gut wie alle realisiert.

Zur Vorgeschichte: Nachdem im Oktober 2016 der bislang größten Calaiser Jungle mit zeitweise über 10.000 Bewohner_innen geräumt worden war, verlagerte sich ein Teil des Migrationsgeschehens nach Brüssel. Die belgische Hauptstadt bot einen geeignerten Ort, um ein Versteck in einem Fahrzeug nach Großbritannien zu finden oder an einen Autobahnparkplatz zu gelangen, an dem dies leichter möglich war als an der Küstenautobahn. Vor allem der am nördlichen Rand der Brüsseler Innenstadt und in der Nähe des Bahnhofs Gare du Nord gelegene Maximilianpark wurde zum Treffpunkt und Aufenthaltsort der Migrant_innen.

Zeitweise existierte dort eine Hüttensiedlung ähnlich dem früheren Jungle von Calais. Auch wenn diese längst nicht mehr existiert und die Herkunftsländer der Migrant_innen gewechselt haben – zunächst waren es vor allem Menschen aus dem Sudan und Eritrea, heute aus Syrien und dem Irak –, so waren und sind in der Brüsseler Stadtgesellschaft vielfältige solidarische und humanitäre Strukturen vorhanden. Neben unmittelbaren Hilfeleistungen aus der migrantisch geprägten Nachbarschaft des Parks gehören dazu das Humanitarian Hub (eine Anlaufstelle u.a. für medizinische Hilfe), die Nachtunterkunft Porte d‘Ulysse für etwa 350 Personen und ein Netz privater Beherbergungen, eine in Brüssel und der Wallonie verbreitete Praxis zivilgesellschaftlicher Soliarität. Ein wichtiges koordinierendes Gremium dieser Hilfe war und ist die Plateforme citoyenne pour l’accueil des réfugiés, die Bürgerplattform für die Aufnahme von Geflüchteten.

Momentan halten sich nach Mitteilung einer lokalen Menschenrechtsaktivistin vom 4. April an unseren Blog ungefähr 500 Migrant_innen auf ihrem Weg nach Großbritannien in Brüssel auf. Am 19. März verdrängte die Polizei sie aus dem Maximilianpark, weil sie die Diszantregeln aufgrund der Corona-Pandemie nicht halten würden. Seitdem werden sie aus dem Park verwiesen und zur Porte d‘Ulysse geschickt. Auch die bis dahin regelmäßig durchgeführte Verteilung von Mahlzeiten und Hilfsgürtern sei am Park nicht mehr möglich. Unter den Bedingungen der Ausgangsbeschränkungen sei außerdem die Organisation der privaten Beherbergungen schwierig geworden und könne nur noch in einer Größenordnung von etwa zehn bis zwanzig Personen durchgeführt werden.

Wie die Zeitung Le Soir am 20. März berichtet, führte die Verdrängung aus dem Park zu einer Überlastung des Humanitarian Hub und der Porte d‘Ulysse. Die bis dahin vor allem als Übernachtumgsplatz dienende Unterkunft wurde daraufhin ab dem 20. März in eine 24-Stunden-Einrichtung umgewandelt. Aufgrund der Ausgangsbeschränungen wurde die Kapazität auf 325 Plätze beschränkt und spezielle Regeln zum vorübergehenden Verbleib festgelegt. Diese Maßnahme stieß unter den Geflüchteten auf Erleichterung, allerdings sammelten sich auf einem nahegelegenen Parkplatz nahe der Unterkunft etwa 60 Menschen, die weder in der Porte d‘Ulyssee, noch in Bürger_innen-Asylen, in den Räumen lokaler Initiativen oder der Obdachlosenhilfe einen Übernachtungsplatz fanden. Die Region Brüssel übrnahm für solche Menschen draufhin kurzfristig die Finanzierung einer 120 Plätze umfassenden Unterbringung in einem Brüsseler Hotel. Wie bereits in der Porte d‘Ulysse, werden die Menschen dort durch die Bürgerplattform betreut.

Nach wie vor treffen, wie die genannte Menschenrechtsaktivistin uns weiterhin mitteilte, Migrant_innen ein. Fragten in den Tagen nach der Räumung des Maximilianparks etwa 70 bis 120 Geflüchtete pro Tag nach einem Unterkunftsplatz an, so ging diese Zahl nach den belgischen Grenzschließungen auf ca. 30 bis 50 Personen zurück. Um besser auf einen mögliche Infektionen mit dem Coronavirus vorbereit zu sein, seien in der Porte d‘Ulyssee inzwischen außerdem 15 spezielle Räume eingeichtet worden, um Personen mit verdächtigen Symptomen vor ihrer möglichen Verlegung in Krankenhäuser zu isolieren.

Eine weitere Folge der Corona-Krise ist, dass das belgische Office des Etrangers momentan keine Asylanträge entgegen nimmt. Die belgische Regierung hatte in der Vergangenheit genau diese Möglichkeit in den Vordergrund gestellt, um einerseits eine Alternative zur Migration nach Großbritannien zu eröffnen und andererseits stärkeren Druck auf diejenigen auszuüben, die in ihrem Migrantionsziel festhielten. Genau diese Möglichkeit ist damit versperrt.