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Dunkerque & Grande-Synthe

Trinkwasser absichtlich kontaminiert

In der Nacht vom 13. auf den 14. Juni 2024 kontaminierten Unbekannte einen Trinkwassertank bei Dunkerque mit einer dunkelblauen Substanz. Der Behälter ist Teil einer zivilgesellschaftlichen Infrastruktur, die mehrere hundert Bewohner_innen des Jungle von Loon-Plage mit sauberem Wasser versorgt. Zwar hat es bereits mehrfach Sabotageakte gegen die Trinkwasserversorgung von Camps gegeben, doch ist es die erste Tat, die auf diese Weise verübt wurde. Unklar ist bislang, welche Substanz verwendet wurde, ob sie gesundheitsschädlich ist und wer die Tat aus welchem Motiv beging.

Kontaminiertes Trinkwasser, 14. Juni 2024. (Foto: Roots)

Der kontaminierte Behälter befindet sich in der Nähe des Jungle an einer Landstrasse. Wie mehrere identische Tanks, wird er regelmäßig von Roots, einer lokalen Organisation, befüllt. Da der Jungle nicht an die öffentliche Infrastruktur angeschlossen ist, ist dies der einzige Zugang zu sauberem Wasser, das zum Trinken, Kochen und zur Körperpflege verwendet wird. Wegen regelmäßiger Räumungen und der Verschließung befahrbarer Zugänge ist es kaum mehr möglich, die Trinkwasserbehälter im Inneren des weitläufigen Camp-Geländes aufzustellen. Der Standort des kontaminierten Tanks an einer einsamen Straße in ländlicher Umgebung begünstigte die Tat.

Entdeckt wurde das kontaminierte Wasser am Morgen des 14. Juni. Roots berichtet, man habe gesehen, dass ein Geflüchteter den Behälter leerte. Der Mann habe dann auf das Problem aufmerksam gemacht. „Mit Blick auf die unbekannten Substanz und das Risiko, das sie darstellt, mussten wir das gesamte Equipment, einschließlich des Behälters, der Wasserhähne und der Rohre, entfernen. […] Leider hat dies dazu geführt, dass wir das genannte Equipment ausmustern mussten, was einen finanziellen Verlust von mehreren hundert Euro bedeutet.“ Die Wasserversorgung sei bis zum Ersetzen der Anlage für einige Stunden unterbrochen gewesen. „Wir sind es zwar gewohnt, mit Vandalismus umzugehen, z. B. mit dem Einstechen von Wasserbehältern und der Beschädigung von Wasserhähnen, aber diese vorsätzliche Verunreinigung stellt einen neuen Tiefpunkt dar,“ so Roots.

Völlig offen ist der Hintergrund der Tat. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass sie aus rassistischen Motiven verübt wurde. Sollte dies zutreffen, könnte sie als Drohung gegen die Exilierten oder die zivilgesellschaftlichen Organisationen gedeutet werden. Denn anstelle der leicht erkennbaren und möglicherweise harmlosen Verunreinigung hätte auch eine farblose gesundheitsschädliche Substanz verwendet werden können. Claire Millot von Salam, einer weiteren in Loon-Plage tätigen Organisationen, sagte gegenüber dem Onlinemedium InfoMigrants, sie gehe nicht davon aus, dass die blaue Substanz giftig sei. Aber auch dann „ist die Botschaft klar […] Das muss ich Ihnen nicht erklären – ja, wir haben Angst vor diesen rassistischen Handlungen, wir haben Angst vor dem, was manche Menschen den Exilierten antun können“. Laut der Regionalzeitung La Voix du Nord zögerten die zivilgesellschaftlichen Akteure zunächst, den Fall öffentlich zu machen, weil sie Nachahmungseffekte in einer Bevölkerung fürchteten, „die Migranten offen feindlich gegenübersteht“.

Die Kontamination des Wassers fügt sich nicht zuletzt in eine Folge rassistischer und rechtsextremer Vorfälle in Nordfrankreich seit der Europawahl am 9. Juni ein (Bericht folgt).

Utopia 56 kündigte an, Strafanzeige zu erstatten; parallel dazu wird versucht, die blaue Substanz zu identifizieren. Utopia 56 forderte die Behörden außerdem auf, „alle notwendigen Maßnahmen“ zu treffen, „um Unfälle zu verhindern und das Leben aller zu schützen“.

Update: Am 18. Juni wurde an derselben Wasserstelle eine erneute Beschädigung an Wasserhähnen und Rohren festgestellt, woraufhin die gesamte Anlage ausgetauscht wurde. Die Genarmerie wurde informiert und nahm den Vorfall sehr ernst, so Utopia 56 und Roots.