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Dunkerque & Grande-Synthe

„Unser Team dachte, es würde sterben“

[Mit einem Update] Utopia 56 berichtet über eine extreme Erfahrung mit Polizeigewalt an der nordfranzösischen Küste. Der Übergriff geschah während einer maraude, einer nächtlichen Suchfahrt nach hilfesuchenden Geflüchteten bei Dunkerque. Dabei habe ein Polizist ein Team von Utopia 56 durch Schüsse mit Platzpatronen eingeschüchtet.

Der Übergriff ereignete sich in der Nacht vom 1. zum 2. August 2024 bei Dunkerque. „Heute Nacht öffnete ein Polizist in der Nähe von Dünkirchen unser maraude-Fahrzeug, drückte den Kopf eine freiwilligen Person gegen das Lenkrad und schoss dreimal mit Platzpatronen (tiré à blanc). Unser Team dachte, es würde sterben,“ teilt Utopia 56 auf seinen Social media-Kanälen mit.

Die Polizisten hätten behauptet, „unser Fahrzeug mit dem von ‚Schleusern‘ verwechselt zu haben“. Diese Behauptung klingt wenig schlüssig, da Utopia 56 die Fahrzeuge eindeutig kennzeichnet, was den Behörden auch bekannt ist. Doch auch wenn der Übergriff Folge einer Verwechslung gewesen sein sollte, „gab es keine Rechtfertigung für eine solche Gewalt,“ so Utopia 56. Über den weiteren Verlauf heißt es: „Die Polizisten ließen unser Team schließlich gehen, bevor sie es 40 Minuten später erneut anhielten und die Personalien aufnahmen. Erschwerend kam hinzu, dass die Beamten gegenüber den Freiwilligen besonders aggressiv blieben.“ Das Team stehe noch unter Schock.

Utopia 56 weist darauf hin, dass die Freiwilligen häufiger von Schikanen betroffen seien. Eine Erklärung für den aktuellen Übergriff sieht die Organisation in einem bestimmten Narrativ: „Einige Polizisten unterstellen unseren Teams immer wieder eine Zusammenarbeit mit Schleusernetzwerken. Diese diffamierenden und wiederholten Äußerungen ergeben sich aus dem Diskurs ihrer Vorgesetzten.“ Dabei könnten „unsere Teams sehr gut zwischen Beamten unterscheiden, die ihre Arbeit tun, und solchen, die es nicht tun. Auch in dieser Woche waren viele Interaktionen mit den Ordnungskräften durchaus freundlich, doch das rechtfertigt keineswegs die beobachteten Fehlentwicklungen“.

Gegen die Polizisten wurde Beschwerde eingereicht. „Wir werden uns niemals der Gewalt und Einschüchterung beugen, unsere Aktion geht weiter“, so Utopia 56.

[Update, 10. August 2024:]

Inzwischen griff auch die lokale Presse den Fall auf. Demnach ereignete er sich in Pretit-Fort-Philippe bei Gravelines zwischen Dunkerque und Calais. Dort befindet sich einer der Ablegestrände für Bootspassagen. Die beiden Freiwilligen, eine Frau und ein Mann, hätten dort mit dem Fahrzeug von Utopia 56 geparkt und sich um Notwufe gekümmert, als zwei Poliisten von beiden Seiten auf den Wagen zukamen. Danach hätten sie drei Schussgeräuche gehört, die Frau sei mit dem Kopf gegen das Lenkrad gedrückt worden, auch seien die Freiwilligen mit Taschenlampen geblendet worden. Eine Sprecherin von Utopia 56 bestätigte gegenüber der Presse, dass die Freiwilligen traumatisiert seien und psychologisch betreut würden. Am Fahrzeug sei das Logo von Utopia 56 angebracht gewesen, ohnehin müsse es den Beamt*innen bekannt sein, weil es praktisch jede Nacht routinemäßig kontrolliert werde. Utopia habe bei der Staatsanwaltschaft von Dunkerque, dem Défenseur des droits und der Generalinspektion der Nationapolizei Anzeigen bzw. Beschwerden eingereicht. Die Polizei bestreite die Abgabe von Schüssen.