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Calais

Ein weiterer Tod in Transmarck

Wieder starb bei Calais ein junger Mann bei dem Versuch, sich auf einem Lastwagen nach Großbritannien zu verstecken. Soweit bisher bekannt ist, handelte es sich um den 18 Jahre alten Abdallah aus dem Sudan. Es ist der vierte Todesfall, der sich innerhalb weniger Monate im Gewerbegebiet Transmarck ereignet. Erst einen Tag vorher war ein weiterer Mann aus dem Sudan bei einer versuchten Bootspassage nach Großbritannien ertrunken (siehe hier). Die beiden Geflüchteten hatten in den Camps von Calais gelebt.

„Keine andere Wahl“: Eine typische Situation in Transmarck. (Quelle: Abdul Saboor / Twitter)

Wenige Tage, bevor Abdallah starb, teilte der Fotograf Abdul Saboor das oben abgebildete Foto einer typischen Situation in Transmarck. Es zeigt einen jungen Geflüchteten laufend an der Flanke eines langsam fahrenden Lastzugs, dort, wo sich zwischen Zugmaschine und Auflieger ein Lücke auftut. Saboor schreibt von der Angst, die er um die Leute hat, und dass er mit ihnen über die Gefährlichkeit sprach. „Sie antworteten mir: ‚Ja, wir wissen das, aber wir haben keine Wahl‘.“ Saboor hatte selbst eine Zeitlang als Geflüchteter in den Calaiser Camps gelebt.

Der Zeitung La Voix du Nord zufolge hatte Abdallah versucht, auf einen Lastwagen zu klettern, der aus einer Tankstelle in die Avenue de la Liberté einbog. Dabei sei er gestürzt und überfahren worden. „Ein Migrant, der die Szene beobachtet hatte, alarmierte die in der Nähe stationierten CRS, die ihrerseits die Feuerwehr riefen“, schreibt die Zeitung unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Die Feuerwehr habe nur noch den Tod feststellen können. Der Fahrer habe die Fahrt fortgesetzt. Durch eine Auswertung der Videoüberwachung soll dessen Identität festgestellt und geklärt werden, ob er den tödlichen Unfall bemerkt hat.

Neben den Todesfällen bei Bootspassagen, die momentan eine größere mediale Aufmerksamkeit erfahren, haben auch Todesfälle im Frachtverkehr zugenommen. Sie konzentrieren sich vor allem in Transmarck, weil dort logistische Infrastrukturen und Dienstleistungen in einem stark sekuritisierten Areal zusammengezogen wurden. Abdallah ist der vierte Exilierte, der dort seit September 2021 ums Leben kam: Am 28. September starb Yasser Abdallah (siehe hier), am 21. Oktober Mohammed Al-Amin (siehe hier) und am 20. Dezember Musab Mahmoud Muhammad Omar (siehe hier). Zwei der Opfer waren erst 16 Jahre alt.

Der Tod von Abdallah ist der 342. dokumentierte Todesfall im Kontext der britisch-kontinentaleuropäischen Grenze. „Die Grenze tötet, das sollten wir nicht vergessen,“ erklärte stellvertretend für viele solidarische Initiativen in Calais das Kollektiv Faim aux frontières.