Am 2. November 2023 erreichte das Orkantief Ciaran die Ärmelkanalregion. Der Sturm stellte für die Camps bei Calais und Dunkerque eine Bedrohung dar. An beiden Orten stellten die Behörden Notunterkünfte bereit. Doch lokale Initiativen und Medien weisen darauf hin, dass sie nur für einen Teil der Camp-Bewohner_innen ausreichten und von vielen nicht angenommen wurden. Hunderte Geflüchtete waren daher dem Sturm ausgesetzt.
Nach Angaben der Präfektur des Departements Pas-de-Calais wurden am 2. November die „Maßnahmen zur Unterbringung von Migranten in Calais verstärkt“. Es seien 689 Personen untergebracht worden. Hinzu rechnet die Präfektur 474 Personen, „die bereits in den CAES des Departements untergebracht waren“. Die letztgenannte Zahl bezieht sich auf die Aufnahmezentren (CAES) außerhalb von Calais, in die Exilierte zwar prinzipiell ausweichen können, die aber vor allem als Unterkünfte bei Großräumungen dienen. Durch mehrere massive Räumungen bei Calais und Dunkerque waren die CAES Mitte Oktober stark belegt. Für die Bewältigung der Sturmsituation dürften sie daher nur eine geringe Rolle gespielt haben.
Eine lokale Initiative schätzt die Zahl der obdachlos in Calais lebenden Exilierten auf „mindestens 1.500 Personen“, was bedeutet, dass etwa die Hälfte während des Sturms keine Unterkunft hatte. Auch sei der Zugang zur lokalen Notunterkunft „nur von 16.30 bis 18.30 Uhr möglich“ gewesen. Den bürgerschaftlichen Organisationen, „die allein für die Information der Personen verantwortlich waren,“ sei dies „erst um 15.00 Uhr“ mitgeteilt worden.
Ein Großteil der Exilierten verblieb während des Sturms in Calais also im Freien. Utopia 56 beschrieb nach dem Abklingen des Sturms eine Situation, in der „Dutzende obdachlose und frierende Menschen auf einen Bus [warteten], der sie zu einer Notunterkunft bringen sollte. Nach stundenlangem Warten kam der Bus schließlich nicht. Zurück auf die Straße.“ Ein Video zeigt Zelte bei immer noch starkem Wind in einem völlig aufgeweichten Gelände.
Für die Exilierten im Raum Dunkerque war die Situation ähnlich. Dort stellte die Stadt Dunkerque auf Wunsch der Präfektur des Departements Nord zwei Turnhallen als Notunterkünfte bereit. Wie die Zeitung La voix du Nord am 2. November berichtet, suchten nur einige Dutzend Menschen die Hallen auf, und zwar hauptsächlich Familien, alleinreiende Frauen und Minderjährige. Das Blatt beschreibt ein Gespräch mit einer Mutter aus dem Sudan: „Wir dürfen uns nicht weigern, wenn uns solch ein Schutz angeboten wird“. Mit Blick auf ihre beiden Kinder sagte sie weiter: „Sie haben friedlich geschlafen, es ist lange her.“ Andere nutzten die bis zum Vormittag des 3. November befristete Zeit in den Hallen, um ihre seit Tagen durchnässten Sachen zu trocknen.
Die meisten Menschen verblieben während des Sturms jedoch im Camp. Ein afghanischer Mann berichtete dem Reporter, er habe nichts von der Notunterkunft gewusst, sei aber selbst bei diesem Wetter bereit, die Überfahrt nach Großbritannien zu wagen. Ein eritreischer Bewohner begründere seine Entscheidung, im Camp zu bleiben, mit der Hoffnung, dass die Bäume einen gewissen Schutz darstellten. Ein anderer verwies auf fehlende Sicherheit: „Wenn wir nicht gegangen sind, liegt das auch daran, dass wir Angst haben, dass unsere Sachen gestohlen werden. Jemand muss aufpassen.“
Während des Sturms wurden keine Überfahrten nach Großbritannien registiert. Die letzten beiden Boote vor dem Sturm erreichten die Insel am 31. Oktober und hatten 94 Passagier_innen an Bord.