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Dunkerque & Grande-Synthe

Fünffacher Mord bei Dunkerque

Im Umfeld von Dunkerque ereignete sich am gestrigen 14. Dezember 2024 eines der schwersten Gewaltverbrechen der nordfranzösischen Küstenregion. Insgesamt wurden fünf Menschen ermordet, darunter zwei Exilierte aus dem Jungle von Loon-Plage. Der Täter, ein junger Mann aus Dunkerque, stellte sich später den Behörden. Das Motiv für die fünf Morde ist bislang unklar.

Folgen wir der La voix du Nord und dem Sender France3, so geschah der erste Mord gegen 15 Uhr auf dem Hof eines abgelegenen Bauernhauses bei Wormhout, einer kleinen Ortschaft im ländlich geprägten Hinterland von Dunkerque. Das Opfer ist der 29jährige Paul Dekeister, Leiter eines Transportunternehmens. Er habe ein Auto auf den Hof fahren gehört und sei dann mit mehreren Schüssen getötet worden; der Mord soll vor den Augen seiner Familie geschehen sein.

Nach diesem Mord fuhr der Täter zur Route de Mardyck bei Loon-Plage. In diesem weitäufigen Areal, das teilweise zum Hafen von Dunkerque gehört, befinden sich sowohl informelle Camps, als auch mehrere Gewerbebetriebe. Dort traf der Täter „am Straßenrand in der Nähe der Raffinerie auf zwei Exilierte kurdischer Herkunft und stieg aus dem Fahrzeug, um mit einer automatischen Waffe auf sie zu schießen“, so La voix du Nord. Nach Angaben der NGO Utopia 56 waren andere „Migranten Zeugen des Todes der beiden Exilierten“. Der Sender France3 zitiert einen von ihnen mit der Aussage, er habe „Schüsse gehört, sich umgedreht und zwei am Boden liegende Leichen entdeckt“. Über die Identität der beiden Ermordeten wurde bekannt, das sie aus dem kurdischen Teil des Irak oder des Iran stammen und 19 bzw. 30 Jahre alt sind; sie sollen Mustafa und Ahmid heißen.

Der Täter ermordere noch zwei weitere Menschen: Aurélien Cugny und Marc Lehmus. Sie waren Bedienstete der Firma Eamus Cork Security, die in u.a. in die Absicherung des Hafenareals gegen Passageversuche von Exilierten eingebungen ist. Ob der Mord an den beiden Sicherheitsleuten vor oder nach dem Mord an den beiden Exilierten geschah, lässt sich aus der Medienberichterstattung nicht eindeutig erkennen. Übereinstimmend heißt es jedoch, dass sie in einem Fahrzeug patrouillierten, als sie von dem Täter erschossen wurden.

Später stellte sich der Täter in Ghyvelde der Gendarmerie und gab zu, die Morde begangen zu haben. In seinem Wagen wurden mehrere Waffen gefunden. Der Verdächtige ist 22 Jahre alt und stammt aus Dunkerque. Französischen und britischen Medienberichten zufolge heißt er Paul Domis und soll früher als Sicherheitsmann für den getöteten Transportunternehmer gearbeitet haben. Es bleibt abzuwarten, was weitere Recherchen ergeben. Gegen ihn wird nun wegen schweren Mordes und Waffenbesitzes ermittelt, ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.

Nach der Tat mobilisierten die Behörden ein großes Polizeiaufgebot und richteten Straßensperren ein. Das Innenministerium teilte mit, die die Situation im Blick zu behalten. Die Bürgermeister von Dunkerque, Loon-Plage und Wormhout äußerten sich fassungslos. Utopia 56 wies darauf hin, dass die Menschen im Junge massiv verängstigt seien. Dort, wo die beiden Kurden ermordet worden waren, versammelten sich Bewohner_innen des Jungle am 15. Dezember zu einem Gedenken.

Über die Hintergründe der Tat und die Motive des Täters liegen noch keine belastbaren Informationen vor. Zwar waren die Camps bei Loon-Plage in der Vergangenheit mehrmals Schauplatz von Gewalt- und Tötungsdelikten, bei denen es sich um Konflikte zwischen oder Machtdemonstrationen von Schleusern handelt. Diese früheren Gewaltakte folgten einem ähnlichen Muster, von dem sich der aktuelle Fall sehr deutlich unterscheidet. Spekulationen reichen von einem rassistischen Motiv über eine labile Psyche bis hin zu einem Streit mit dem früheren Arbeitgeber.