Etwa 600 Menschen versammelten sich am 11. Januar 2025 in Calais zum Granche Marche contre les politiques mortifères à la frontière Franco-Britannique. Anlass der Demonstration war das für die Region beispiellose Ausmaß der Todesfälle in den vergangenen anderthalb Jahren. Allerdings musste das Recht, dieser Menschen zu gedenken und die tödlichen Konsequenzen der Migrationspolitik anzuprangern, erst gerichtlich durchgesetzt werden.
Die Demonstration war auf Initiative das antifaschistischen Netzwerks Réseau Insoumis Antifasciste von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen, Gewerkschaften und progressiver Parteien getragen worden. Sie begann nahe der Strandpromenade mit einer Schweigeminute für den 19jährigen Syrer, der in den Morgenstunden bei einer versuchten Bootspassage im nahen Sangatte gestorben war (siehe hier). Danach führte sie durch die Innenstadt, vorbei am Richelieu-Park, dem Ort, an dem seit Jahren nach jedem einzelnen Todesfall ein solidarisches Gedenken stattfindet.
„Wir hatten ein besonders tödliches Jahr. Es gab ein echtes Bedürfnis, dieser Todesfälle zu gedenken, die Wut herauszuschreien und die Verantwortlichkeiten anzuprangern“, erklärte eine Vertrterin von Utopia 56 der Lokalzeitung La voix du Nord. Der Satz dürfte die Motivation vieler Teilnehmer_innen widerspiegeln, die in der vergangenen Zeit in so dichter Folge mit Todes- und Vermisstenfällen kontrontiert waren wie nie zuvor in der Region.
Am Votrag hatte die konservative Bürgermeisterin von Calais, Natacha Bouchart, die Demonstration verboten, obwohl diese bereits mit der Polizei abgestimmt war. Sie unterlag vor dem Verwaltungsgericht Lille, sodass die Demonstration wie geplant stattfinden konnte. Später kommentierte sie dies auf ihrem Social media-Acoount mit der Bemerkung, der Staat lasse „den Aktivisten ihren Spaß, statt die Schrauben anzuziehen“ – ein unfassbare Bemerkung angesichts der Menschen, an deren Tod erinnert werden sollte.