Zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen ist im Gewerbegebiet Transmarck bei Calais ein Geflüchteter durch einen Lastwagen ums Leben gekommen. Der Lokalzeitung La Voix du Nord zufolge starb der Mann am 21. Oktober im Krankenhaus von Calais. Am frühen Morgen desselben Tages war er nach Angaben der Staatsanwaltschaft schwer verletzt in der Nähe des Cash & Carry-Geschäfts Pidou gefunden worden. Der am Boden liegende Mann sei von der Feuerwehr der Gemeinde Marck versorgt und ins Krankenhaus gebracht worden. Zur Ermittlung der Todesursache werde noch eine Autopsie durchgeführt. Nach Angaben der zivilgesellschaftlichen Organisationen Salam und Auberge des migrants wurde der von einem Lastwagen angefahren – ähnlich wie der Jugendliche Nasser Yasser Abdallah am 28. September auf der nahe gelegenen Avenue Henri-Ravisse (siehe hier). Der jetzige Fall ist der 305. dokumentierte Todesfall im Kontext des britisch-kontinentaleuropäischen Grenzregimes.
Schlagwort: Yasser
Die Demonstration der Exilierten
Am 8. Oktober demonstrierten etwa 200 bis 300 Menschen in der Innenstadt von Calais. Es war der größte von Exilierten organisierte öffentlich Protest seit Langem, und seine politische Bedeutung reichte weit über den Anlass, nämlich den Tod von Yasser Abdallah, hinaus. Denn es ging gleichermaßen um die generelle Situation der Exilierten in Calais und um die strukturelle wie physische Gewalt, der sie dort ausgesetzt sind. Wenige Tage später, am 11. Oktober, sollten in Calais drei französische Aktivist_innen aus Solidarität mit den Geflüchteten in einen Hungerstreik treten, worüber wir noch berichten werden.
Wir dokumentieren die Demonstration anhand von Bildern der Calaiser Fotografin Julia Druelle und geben im Anschluss daran einen Redebeitrag der Exilierten wieder.
Protest der Exilierten in Calais
Nach dem Tod des jungen Sudanesen Yasser bei einer versuchten Grenzpassage per Lastagen am 28. September 2021 (siehe hier) rufen Exilierte gemeinsam mit solidarischen Akteur_innen für den heutigen 8. Oktober zu einer Demonstration in der Calaiser Innenstadt auf. Ihr Aufruf lautet: „We were patient with the suffering and tragedies that we live until we ran out of patience, so have decided to have a demonstration. We will protest against injustice and the absence of mediatisation of our situation and wish to defend our rights, our lost rights, and the right of the pure soul that was killed without guilt in the past days.“ Außerdem veröffentlichten Geflüchtete in Calais eine Erklärung, in der sie ihre Situation darlegen und auf die Gewalt eingehen, die ihnen durch Polizei und Lkw-Fahrer widerfährt. Wir dokumentieren die Erklärung im Folgenden: