Am 25. September hat der französische Staatsrat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lille bestätigt, das für einige Bereiche der Calaiser Innenstadt ausgesprochene Verbot der Nahrungsmittelausgabe für Migrant_innen nicht aufzuheben.
Vorausgegangen war ein Dekret der Präfektur Pas-de-Calais vom 10. September, mit dem für den Zeitraum vom 11. bis zum 30. September für einundzwanzig Straßen, Plätzen, Kais und Brücken den Organisationen die Nahrungsmittelausgabe untersagt wurde. Neun Organisationen (unter ihnen Utopia 56, Secours Catholique und l’Auberge des migrants) und zwei linke Justizgewerkschaften klagten zunächst vor dem Verwaltungsgericht Lille gegen das Dekret und gingen nach einer juristischen Niederlage in erster Instanz mit einem Eilantrag beim Staatsrat (in seiner Funktion als oberstes französisches Verwaltungsgericht) in Berufung. Die Kläger hatten sich zum einen auf die Menschenwürde der Migrant_innen berufen, denen der Staat eine angemessene Versorgung verweigere, und für welche die Organisationen ihr Nahrungsausgabe als Ersatz anböten, zum anderen aber auf auch ihre eigene Handlungsfreiheit, die Hilfsangebote und -aktivitäten dort zu entfalten, wo es ihnen sinnvoll erscheint.
Der Staatsrat mochte beiden Argumenten nicht folgen: Zwar erkannte er die erhebliche räumliche Distanz der staatlichen Hilfsangebote zu den Lebensorten der Migrant_innen an. Den Organisationen stehe es jedoch frei, ihre Angebote in unmittelbarer Nähe der Innenstadt zu unterbreiten, da das von den Verboten betroffene Areal hinreichend klein und hinreichend präzise bestimmt sei.
Der Staatsrat unterstreicht in seiner Entscheidung, dass es der Polizei nicht gestattet sei, das Dekret eigenmächtig zu erweitern und die Nahrungsmittelausgabe auch in angrenzenden, im Dekret nicht genannten Stadtgebieten zu unterbinden.
Auch wenn das Dekret vom 10. September neben der Sicherstellung der öffentlichen Ordnung vor allem mit der Umsetzung von Hygienemaßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie begründet wird, so reicht die politische und juristische Auseinandersetzung um die Essensausgaben weiter zurück. Bereits im März 2017 hatte die Präfektur versucht, die Essensausgaben unter anderem im Industriegebiet Zone inudstrielle des Dunes zu untersagen, war damit aber zunächst juristisch und politisch gescheitert.
Quellen:
– Pressemitteilung des Staatsrats
– Urteilstext des Staatsrats
– Bericht auf FranceInfo