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Calais Channel crossings & UK Solidarität

Care4Calais unter Druck

Von Care4Calais bereitgestelltes Wasser. (Foto: Care4Calais)

Die Charity Commission for England and Wales, das Aufsichtsgremium der britischen Regierung für registrierte Wohltätikeitsorganisationen in den beiden Landesteilen, hat eine Untersuchung von Care4Calais eingeleitet. Wie die Kommission am 5. August bekanntgab, bezieht sich die Untersuchung auf die Finanzverwaltung der Organisation. Zwei Mitarbeiter_innen einer Anwaltskanzlei wurden als Interimsmanager_innen eingesetzt. Care4Calais erklärte daraufhin, transparent mit der Kommission zusammenarbeiten zu wollen, ungeachtet dessen aber die Unterstützung der Exilierten fortzuführen.

Care4Calais ist eine unmittelbar aus der Konfrontation mit der Lage der Exilierten in Calais geborene Organisation. Sie entstand im Kontext der heute als Big Jungle bezeichneten migrantischen Siedlung mit bis zu 10.000 Bewohner_innen in den Jahren 2015/16. Nach deren Räumung und Zerstörung führte Care4Calais die Arbeit fort und weitete sie auf Nordfrankreich und Belgien aus. In Calais ist sie außerdem durch ihre Infrastuktur zur Lagerung und Verteilung von Hilfsgütern präsent. Für die Grundversorgung der Exilierten spielt sie gemeinsam mit ähnlichen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen eine Schlüsselrolle. Die Rahmenbedingungen für diese Leistungen werden durch die Taktik der permanenten Räumungen und massiven Beschlagnahmungen in den Camps, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und sowie restriktive Verordnungen der Präfektur (siehe hier) erschwert.

Die Charity Commission gab nun bekannt, bereits im August 2020 an Care4Calais herangetreten zu sein, weil Bedenken hinsichtlich der Rechnungslegung bestanden. Danach habe die Kommission ihre Bedenken auf die „Leitung der Wohltätigkeitsorganisation“ ausgeweitet. Im Fokus standen offenbar die Befugnisse und die Entscheidungswege im Bereich der Finanzverwaltung. „Die Kommission ist besorgt, dass die bestehenden Governance-Regelungen der Wohltätigkeitsorganisation möglicherweise nicht für eine Wohltätigkeitsorganisation dieser Größe geeignet sind, was zu potenziellen weiteren Problemen führen könnte, u. a. in Bezug auf die Durchführung angemessener Finanzkontrollen und die Umsetzung von Schutzmaßnahmen.“

Aktuell resultiert hieraus die Einsetzung von Sarah Tomlinson und Philip Watts von Anthony Collins Solicitors LLP als interim managers. Ihre Aufgabe sei es, „die Leitung, Verwaltung und Entscheidungsfindung der Wohltätigkeitsorganisation zu überprüfen und Empfehlungen auszusprechen, damit die Wohltätigkeitsorganisation im Einklang mit ihrem Leitdokument und den einschlägigen Gesetzen arbeitet und ihre Richtlinien und Verfahren die besten Praktiken widerspiegeln.“ Der bestehende Vorstand bleibe darüber hinaus für die Leitung verantwortlich. Sollten sich weitere Fragen ergeben, so die Kommission, könne die Untersuchung ausgeweitet werden. In jedem Fall werde am Ende ein öffentlich zugänglicher, detaillierter Bericht stehen.

Ein Blick auf das Budget von Care4Calais zeigt, dass die Organisation nahezu ihre gesamten Einnahmen in Höhe von £ 877.994 im Rechnungsjahr 2019/20 als Spenden akquirierte. Die Ausgaben von Höhe von £ 586,489 flossen zum überwiegenden Teil (£ 547.010) in die humanitäre Arbeit, der Rest fast vollständig in die Mittelakquise. Care4Calais koordinierte mit einem ehrenamtlichen Verwaltungsstab von fünf Personen den Einsatz von etwa 1.500 Freiwilligen. Die Organisation leistet mithin also mit denkbar geringen Kosten eine hoch relevante Arbeit, die an der konkreten Problemlage in Calais, Grande-Synthe usw. geschult ist. Genau dieser Erfolg wird nun problematisiert.

Care4Calais erklärte nach der Einsetzung des Interimsmanagements die Bereitschaft, mit den beiden Jurist_innen zusammenzuarbeiten. Außerdem machte die Orgnisation deutlich: „In den letzten 12 Monaten ist Care4Calais beträchtlich gewachsen, um den beispiellosen Bedarf der Unterstützten und die Herausforderungen der Covid-Pandemie zu bewältigen. Tausende von Freiwilligen haben sich gemeldet und unzählige Stunden geopfert, um diesen Bedarf zu decken, und die für die Verwaltung Verantwortlichen sowie das Management haben unermüdlich gearbeitet, um sie zu unterstützen. Diese außergewöhnlichen Umstände haben unsere Systeme unter Druck gesetzt, und unsere Mitarbeiter_innen und Freiwilligen haben hart gearbeitet, um diese Herausforderungen zu meistern.“

Care4Calais ist nicht die einzige in Calais tätige Organisation, die in den Fokus der Charity Commission geraten ist. Im Frühjahr hatte diese Druck auf eine andere in Calais tätige britische Organisation ausgeübt, um die Verteilung eines von dieser finanzierten Flugblatts mit Informationen über Risiken und Notfallmaßnahmen bei einer Kanalüberquerung zu unterbinden (siehe hier).