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Calais

Festnahme zweier Menschenrechts-Aktivisten

Zwei britische Freiwillige der Human Rights Observers (HRO) wurden festgenommen, als sie am 17. November 2023 in Calais einen Polizeieinsatz dokumentierten. Die Polizei macht sich dabei den Umstand zunutze, dass britische Staatsangehörige nach dem Brexit nicht mehr automatisch Reisefreiheit in der EU genießen. Allerdings erklärt die Menschenrechtsorganisation, dass die Papiere der Betroffenen in Ordnung waren – und fürchtet einen Präzedenzfall.

Festnahme der Menschenrechtsaktivisten in Calais, 17. November 2023. (Video: Human Rights Observers / X)

HRO dokumentiert seit mehr als fünf Jahren die Menschenrechtslage im Raum Calais und Dunkerque, seit Januar 2020 in Form monatlicher Berichte, die wiederum auf der regelmäßigen Beobachtung von Räumungen beruhen. Da in Calais etwa alle 48 Stunden geräumt wird, und zwar an mehreren Camp-Standorten nacheinander, ist die Anwesenheit der kleinen HRO-Teams allgemein bekannt und nach französischem Recht auch legal. Wir selbst hatten vor einiger Zeit Gelegenheit, ein solches Team zu begleiten (siehe hier). Dabei erloebten wir ein professionelles und verantwortungsvolles Arbeitens, wozu insbesondere gehörte, gegenüber der Polizei nicht provozierend aufzutreten. Auch in der vorbereitenden Kommunikation mit uns hatte dieser Punkt eine wichtige Rolle gespielt.

In einer Presseerklärung beschreibt HRO, was am 17. November geschah. Demnach dokumentierten drei Freiwillige – davon zwei Personen britischer Nationalität – die Räumung informeller Camps in Calais. Angehörige der Polizeieiheit CRS kontrollierten ihre Personalien – ein fragwürdiges, aber häufiges Verhalten gegenüber den Menschenrechtsbeobachter_innen. HRO weist darauf hin, dass die betreffende CRS-Einheit an diesem Tag „seit Beginn der Operation aggressiv gegenüber unserem Team und den Exilierten“ aufgetreten sei. Zitiert werden mehrere herablassende und einschüchternde Bemerkungen.

Laut HRO befand sich das Team zu diesem Zeitpunkt im öffentlichen Raum. Es „beging, wie bei der Arbeit üblich, keinen Verstoß, der ihnen vorgeworfen werden konnte. Als die Betroffenen ihre Ausweise vorzeigten, seien sie nach dem Grund ihrer Einreise gefragt worden und hätten geantwortet, dass als Freiwillige zu HRO gekommen zu sein. „Bisher genügte einem britischen Staatsbürger ein einfacher Personalausweis, um seine Identität nachzuweisen, doch gestern nutzten die CRS die Gelegenheit dieser Kontrolle, um unsere beiden Kollegen einer gründlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Anwesenheit auf französischem Hoheitsgebiet zu unterziehen.“ Dabei war die Anwesenheit der britischen Freiwilligen, so HRO, „völlig in Ordnung (die Stempel in ihren Pässen belegen dies), und dennoch sitzen X und Z seit 22 Stunden im Kommissariat von Coquelles in einer Zelle.“

HRO erinnert an andere Schikanen wie missbräuchlich verhängte Bußgelder, psychischen Druck, Beleidigungen und wiederholte Identitätskontrollen, welchen die Teams seit Langem ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund sei der aktuelle Fall „schlicht und einfach eine politische Strafen für Aktivist_innen“, nun allerdings verschärfter Form. HRO befürchtet, dass „ein Präzedenzfall für die polizeiliche Schikanierung unserer britischen Mitstreiter_innen“ geschaffen werden könnte. Denn gerade britische Aktivist_innen seien ein leichtes Ziel, weil sie seit dem Brexit besondere Aufenthaltsgenehmigungen für Frankreich einholen müssen. „Dies muss uns jedoch hinsichtlich des allgemeinen Drucks auf die in Frankreich engagierten Personen alarmieren. […] Die Inhaftierung unserer HRO-Kolleg_innen betrifft daher alle, die sich gegen die repressive und fremdenfeindliche Regierungspolitik in Frankreich engagieren“.

Bereits im Frühjahr 2022 hatte es in Calais einen ähnlichen Fall gegeben: Ein britischer Aktivist, dessen Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert worden war, wurde festgenommen und in Abschiebehaft genommen. Der junge Mann hatte sich in einem besetzten Haus engagiert, das in einen Lebensort für sonst obdachlose Geflüchtete umgewandelt wurde. Zuvor war er in verschiedenen anderen Gruppen der lokalen Zivilgesellschaft tätig gewesen, unter anderem als Menschenrechtsbeobachter (siehe hier).