Anlässlich ihres Londoner Treffens am 12. Dezember 2025 veröffentlichten die Premierminister Großbritanniens und Belgiens, Keir Starmer und Bart de Wever, ein Joint Statement on Bilateral Cooperation. Das Papier umfasst diverse Felder zwischenstaatlicher Zusammenarbeit wie Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wirtschaftliches Wachstum, Innovation und Energiesicherheit – aber auch Aussagen zur Bekämpfung der Migration auf der Kanalroute. Um was geht es?
Die gemeinsame Erklärung aktualisiert eine langjährige Zusammenarbeit beider Staaten, die in die Jahre vor der Etablierung der Bootspassagen zurückreicht und zunächst auf den Fähr- und Frachtverkehr zugeschnitten war. Dazu gehörten die Absicherung und Überwachung des Hafens von Zeebrugge, Kontrollen im Schienenverkehr sowie bauliche Maßnahmen an belgischen Autobahnraststätten und -parkplätzen, die von Lastwagen auf dem Weg nach Großbritannien angesteuert werden. Darüber hinaus wirkt Belgien von Anfang an in der Calais Group mit, in der die Innenministerien Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, der Niederlande und Deutschlands in Bezug auf die Bootspassagen zusammenarbeiten.
Die gemeinsame Erklärung vom 12. Dezember thematisiert Migration in zwei von sechs Abschnitten.
Im Abschnitt „Bekämpfung der irregulären Migration“ erklären beide Seiten recht allgemein, sie wollten ihre „Bemühungen zur Verhinderung irregulärer Migration durch eine verstärkte Zusammenarbeit bei innovativen Lösungen intensivieren“. Ausdrücklich genannt werden „Strategien und Ansätze für Rückführungen und Rückübernahmen, gegenseitiger Informationsaustausch, wirksame Sicherheitstechnologie und operative Verbesserungen, insbesondere im Hafen von Zeebrugge.“ Die Unterzeichner wollen die Zusammenarbeit auf bilateraler, regionaler und multilateraler Ebene intensivieren und verweisen hierbei auf die Calais Group, die EU sowie Herkunfts- und Transitländer. Beide Seiten betonen erwartungsgemäß die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von „internationalen kriminellen Organisationen, die Menschen und small boats-Equipment nach und durch Europa transportieren“. Dabei gehe es auch um die „Zerschlagung krimineller Netzwerke im Vorfeld“, wozu „Kommunikationskampagnen in den Herkunftsländern und gegebenenfalls gemeinsame Ermittlungen“ dienen sollen. Grundsätzlich bekennen sich beide Regierungschefs zur Europäischen Menschenrechtskonvention, betonen aber die aus ihrer Sicht bestehende Notwendigkeit, den Rechtsrahmen auszuschöpfen. Neben die Begründung, Menschen vor Ausbeutung zu schützen, tritt die Abwehr von Versuchen, „unsere Systeme zu untergraben“ (deter those trying to undermine our systems).
Auch der Abschnitt „Sicherheit unserer Bürger und Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ impliziert Aussagen zur Migration: „Wir werden unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämpfung von Terrorismus, gewalttätigem Extremismus und internationaler Kriminalität, einschließlich Menschenschmuggel, Drogenhandel und illegaler Finanzgeschäfte, verstärken.“ Das Papier verweist auch hier auf bestehende (Europol, Interpol, Vertrag von Prüm) und künftige (Law Enforcement Cooperation Agreement) Strukturen strafrechtlicher Zusammenarbeit. Betont wird „die Sicherheit unserer Logistikzentren, insbesondere unserer Häfen“. Allerdings fehlt eine Konkretisierung, welchen Stellenwert die Bekämpfung organisierter Schleusungen bei alldem hat. Ausdrücklich benannten Zielsetzungen der Krisenvorsorge und Resilienz entstammen weniger der Migrationspolitik, sondern dürften als sicherheitspolitische Maßnahmen gegen die hybride Kriegsführung Russlands motiviert sein.
Insgesamt enthält die Erklärung nichts, das nicht bereits in früheren Vereinbarungen und in der Agenda der Calais Group enthalten wäre (siehe hier). Konkrete oder neue Vorhaben werden nicht formuliert und auch neue migrationspolitische Weichenstellungen fehlen. Anstöße zur Verbesserung der humanitären Situation und zur Flankierung zivilgesellschaftlicher Angebote für Geflüchtete spielten offenbar von vornherein keine Rolle.
Ablesbar sind hingegen die weitere Fokussierung auf Abschiebungen und die Verengung des Blickwinkels auf organisierten Schleusungen, die einmal mehr – und im politischen Diskurs hoch problematisch – mit Terrorismus und hybridem Krieg verknüpft werden. In dieselbe Richtung zielt auch das Geraune von Migration als Versuch, „unsere Systeme zu untergraben“, ohne dass genauer dargestellt würde, was damit gemeint ist. Aus einem sozialen Phänomen – der transnationalen Mobilität von Menschen in Not und mit Hoffnung auf ein besseres Leben – wird eine intentionale Handlung ungenannter Hinterleute: eine subversive Strategie. Der Schritt in die bunte Welt der Verschwörungsmythen ist da nicht weit, und daher irritiert gerade diese Formulierung.