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Britische Rechtsextreme kündigen eine größere Aktion in Frankreich an

Seit Anfang November agieren Aktivisten der britischen Gruppierung Raise the Colours regelmäßig in Nordfrankreich. Die Gruppe reist jeweils für einige Tage an und filmte bislang vor allem an Stränden und Camps in der Region von Calais und Dunkerque, später auch in Paris. Für den 29. November werden nun offenbar größere Aktionen vorbereitet. Das auf die extreme Rechte spezialisierte Magazin Searchlight rät zur Wachsamkeit.

Die Gründer von „Raise the Colours“ Ryan Bridge (vorn mit Mikrofon) und Elliot Stanley (links) mit Gefolge am Strand von Gravelines bei Dunkerque, Anfang November 2025. (Quelle: X / Raise the Colours)

Die Kampagnengruppe Raise the Colours um Ryan Bridge und Elliot Stanley entstand im Vorfeld der rechtsextremen Londoner Großkundgebung vom 12. September und wurde am 4. November erstmals bei Dunkerque, später dann auch in Calais und Paris aktiv. Unter dem Motto Stop the Boats produzierte sie Content für Social Media-Kampagnen und erreichte über den Sender GB News, die britische Variante von Fox News, sowie über rechte Boulevardmedien eine größere Reichweite. Die Videos zeigen unter anderem das Beschimpfen von Geflüchteten beim Besteigen eines Schlauchboots, das Einsammeln zurückgelassener persönlicher Dokumente und Drohnenbilder von Camps während der Verteilung von Hilfsgütern. Kommentiert werden die Bilder häufig mit Desinformation, darunter der Falschbehauptung, man habe Boote aktiv an der Abfahrt gehindert.

Wir werden uns in einem unserer nächsten Beiträge ausführlich mit dieser Kampagne beschäftigen, möchten an dieser Stelle jedoch auf eine aktuelle Entwicklung hinweisen, über die Searchlight berichtet. Das Magazin bezieht sich auf Danny Tommo, mit bürgerlichem Namen Daniel Thomas. Er ist ein Vertrauter des Organisators der Londoner Massenkundgebung vom 12. September und nahm im November an den Raise the Colours-Aktionen in Nordfrankreich teil.

Gepinntes Posting von Daniel Thomas. (Quelle: X / Daniel Thomas bzw. Danny Tommo)

Wie Seachlicht berichtet, ruft Tommo „seit einigen Wochen die ‚Männer Englands‘ online dazu auf, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, um Aktionen zu organisieren, die ‚keine Proteste‘ seien und von denen Frauen und Kinder ausgeschlossen sind.“ Das Magazin zitiert ihn mit den Worten: „Okay, no more protests, no more marches, no more stage, no more speakers. We need the English lads to make a point. A point that unfortunately has to be made. I understand that we all need to keep our heads screwed on, but it’s too common now“.

Großspurige Ankündigungen dieser Art sind im Biotop des MAGA-orientierten britischen Rechtsextremismus durchaus gängig. So nennt Raise the Colours seine Aktivitäten in Nordfrankreich Operation France und verwendet neuerdings sogar den historischen Tarnnamen der alliierten Invasion in der Normandie am 8. Juni 1944: Operation Overlord. Dass nun mehr gemeint sein könnte als eine weitere Provokokation der bekannten Art, folgert Searchlight aus den Begleitumständen. Demnach sprach Tommo Mitte November im kleinen Kreis darüber, „Schichten und Dienstpläne für Männer zu organisieren, die nach Frankreich reisen sollen. Sie sprachen darüber, Geld zu sammeln, um die Ereignisse mit einer Drohnenkamera filmen zu können. Und sie sprachen über eine große, bevorstehende Aktion am 29. November.“

Worauf dies hinausläuft, ist unklar. Searchlight weist darauf hin, dass es sich um eine friedliche Veranstaltung handeln könnte, um gegen die angebliche Invasion der Insel durch Migrant_innen zu agitieren. Aufgrund der verdeckten Vorbereitungen aber „wäre es gerechtfertigt, dass die Behörden ihre Aktivitäten genau beobachten und gegebenenfalls Informationen an ihre französischen Kollegen weitergeben.“

Doch verweist dies auf einen grundlegenderen Aspekt: Kampagnen wie die von Raise the Colours arbeiten auf einen Systemumsturz in Großbritannien nach dem Vorbild der USA unter Donald Trump hin und sehen sich angesichts der hohen Umfragewerte für Reform UK gleichsam am Vorabend der Machtübernahme. Dabei begeben sie sich in einen Überbietungswettbewerb untereinander sowie mit den konservativen Tories, der sich einerseits in immer extremeren Entwürfen für die Deportationspolitik eines künfigen Maßnahmenstaats ausdrückt, sich andererseits aber auch in „direkten Aktionen“ und ihre Inszenierung in den Sozialen Medien niederschlägt: So extrem eine Aktion oder Inszenierung auch ist, eine noch extreme muss folgen. Geflüchtete und zivilgesellschaftliche NGOs werden dabei gleichermaßen als Feinde markiert. Diese Radikalisierungsspirale wird an Grenzen stoßen, es sei denn, die Grenze zu offener Gewalt würde überschritten. Was auch immer am 29. November geschehen oder nicht geschehen wird: Diese Entwicklung sollte erst genommen werden.