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Dunkerque & Grande-Synthe

Seifenblasen und brennende Wäsche

Eine Fotoreportage aus Grande-Synthe (1)

Lebensmittel auf dem gefrorenen Boden in Grande-Synthe. Unter dem Schnee: der Schlamm. (Foto: Julia Druelle).

von Julia Druelle (Calais)

Im Rahmen des Projekts SpeakOut folgte ich im Februar den Freiwilligen der Médecins du Monde France, die medizinische Beratung und Unterstützung in Grande-Synthe organisieren. Ich realisierte zwei Fotoserien über die schrecklichen Lebensbedingungen in dem behelfsmäßigen Camp: Die hier gezeigte konzentriert sich auf die heftige Kälte, die zweite Serie fokussiert den Zugang zu Wasser.

(English version below)

Das behelfsmäßige Camp in Grande-Synthe. (Foto: Julia Druelle)

Grande-Synthe, 8. Februar. Es ist vier Grad unter Null, ein Schneedecke überzieht die Zelte und die an den Bäumen befestigten Planen. Ungefähr 150 Leute überleben hier irgendwie unter furchtbaren Bedingungen.

Gelagertes Holz für die Feuer im Camp von Grande-Synthe. (Foto: Julia Druelle).

Als ich zittere, lädt mich eine kurdische Familie ein, um mich an ihrem Feuer aufzuwärmen. Sie leben hier seit zwei Monaten mit ihren beiden kleinen Kindern. Wie ist das, vier Jahre alt zu sein, in einem Schlammfeld zu leben und vom beißenden Rauch des Holzfeuers nichts mehr sehen zu können?

Eine kurdische Familie mit dem kleinen Mädchen, das sich vor dem beißenden Rauch des Feuers schützt. (Foto: Julia Druelle)

Etwas früher hat mir eine Gruppe junger Männer aus dem Irak einen dampfend heißen Tee angeboten. „Wie fühlen uns hier so schlecht. Es mangelt uns an allem: Kleidung, Zelte, Holz für das Feuer, Nahrung, … Was sollen wir machen?“

Ein junger Kurde aus dem Iran singt im Camp von Grande-Synthe. (Foto: Julia Druelle)

Ein paar Meter weiter beginnt B. zu singen. Ein medolisches Liebeslied, ein Moment der Anmut in dieser frierenden Hölle. Im Iran war er Sänger gewesen. H. sorgt für Spezialeffekte, er macht Seifenblasen.

Seifenblasen in Grande-Synthe. (Foto: Julia Druelle)

Die Melodie wärmt das Herz des jungen Mannes, der in der Nähe vor einem Zelt sitzt und summend einstimmt. Sie wärmt mehr als die Unterwäsche, die er beschloss ins Feuer zu werfen. „Ich habe nichts anderes mehr zum Verbrennen“, sagt er. „Feuchts Holz funktioniert nicht.“

Ein Mann verbrennt seine Wäsche im Camp von Grande-Synthe: „Ich habe nicht anderes mehr. Feuchtes Holz funktioniert nicht.“ (Foto: Julia Druelle)

Gestern abend wurden schließlich 78 Personen im Rahmen eines Notfallplans für kaltes Wetter in Unterkünfte gebracht. Andere weigerten sich jedoch, in die Busse zu steigen, da sie nicht wussten, wohin sie gebracht würden, und weil sie fürchteten verhaftet zu werden.

Eine Gruppe junger Kurden, darunter einige Jugendliche, im Camp von Grande-Synthe. (Foto: Julia Druelle).

English version

In February, as part of the SpeakOut project, I followed the volunteers of Médecins du Monde France who organise medical consultations and support in Grande-Synthe (Dunkerque). I realised two series of pictures on the dreadful conditions of living on the makeshift camp : the first concentrates on the severe cold, the second on the difficult access to water.

Grande-Synthe, February 8. It’s 4 degrees below zero, a blanket of snow covers the tents and tarps tied to the trees. Around 150 people somehow survive here in dire conditions. As I shiver, a Kurdish family invite me to warm up by their fire. They are living here since two months with their two young children. How is it, to be 4, to live in a mud field and to get blinded by the toxic fumes of the wood fire ?

A bit further, a group of young men from Iraq offers me a steaming hot tea. « We feel so bad here. We’re lacking everything : clothes, tents, wood for the fire, food, … What shall we do ? ». A few meters away, B. starts singing. A melancholic love song, a moment of grace in this freezing hell. In Iran, he was a singer. H. makes special effects, blowing soap bubbles. The melody warm the heart of the young man sitting in front of the nearby tent who joins in, humming. More than the underwear which he decided to throw in the fire. « I don’t have anything else to burn anymore, he says. Damp wood doesn’t work. »

Yesterday night, 78 persons finally got sheltered under an emergency cold weather plan. Others however refused to get on the buses, not knowing where they would be sent to, and fearing to get arrested.