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Benelux & Deutschland

Festnahme eines Importeurs in den Niederlanden

Die niederländische Polizei verhaftete am 13. November 2024 am Amsterdamer Flughafen einen türkischen Staatsangehörigen, der Boote und Bootsmotoren in die EU importiert und an Schleuser geliefert haben soll. Festnahmen mutmaßlicher Schleuser_innen sind nicht ungewöhnlich, allerdings ist der Fall ein gutes Beispiel für die wachsende Bedeutung multinationaler Ermittlungen im Hinterland der Grenze. Auch Deutschland dürfte erneut in den Fokus rücken.

Wie die europäische Justizbehörde Eurojust mitteilt, soll der Verdächtige „eine Operation geleitet haben, die small boats und Motoren an Menschenschmuggler lieferte, die in Belgien und Nordfrankreich aktiv waren“. Er habe seine Lieferungen aus der Türkei bezogen und „in Europa“ gelagert. Weiter heißt es, kriminelle Netzwerke nutzten die Niederlande häufig als „Drehscheibe für die Vorbereitung des Menschenschmuggels“, wobei die verwendeten Boote „hochgefährlich und für das offene Meer ungeeignet“ seien, „was letztendlich zu Todesfällen führt“.

Die Festnahme geschah ihm Rahmen von Strukturen, die mit zunehmender Frequentierung der Kanalroute zunächst nachholend geschaffen wurden und denen die neue britische Regierung inzwischen eine zentrale Bedeutung zumisst. Konkret vorbereitet wurde sie durch ein britisch-belgisches Joint Investigation Team (JIT) unter dem Dach von Eurojust. Solche multinationalen Ermittlungsgruppen sind ein gängiges Instrument grenzübergreifender Strafverfolgung im Bereich organisierter und schwerer Kriminalität. Der Beitrag der niederländischen Behörden hingegen scheint lediglich in der Durchführung der Festnahme bestanden zu haben, eben weil der Mann von der Türkei aus in die Niederlande einreiste. Der Verdächtige werde nun an Belgien ausgeliefert, wo er wegen Menschenschmuggels im Rahmen einer kriminellen Organisation angeklagt werde. Ob auch Import und Zwischenlagerung der Boote auf niederländischem Gebiet erfolgt waren, geht aus der Mitteilung von Eurojust nicht hervor.

Die Einsetzung des Joint Investigation Teams wiederum resultierte aus Vorarbeiten der europäischen Polizeibehörde Europol. Wie die britische National Crime Agency (NCA) konkretisiert, wurde die Festnahme am Amsterdamer Flughafen „gemeinsam durch eine Operational Task Force von Europol und, unterstützt von Eurojust, durch die Bildung eines Joint Investigation Teams“ koordiniert. Zwei solche Operational Task Forces namens Dune und Wave hatten 2023 und 2024 groß angelegte Razzien gegen die Logistik von Schleusern im westdeutschen Hinterland der Kanalregion vorbereitet und gemeinsam mit Eurojust koordiniert (siehe hier und hier).

Diese Zusammenarbeit mehrerer Staaten unter dem Dach von Europol bzw. Eurojust ist in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Instrument der Bekämpfung der kanalübergreifenden Migration geworden. Der Ansatz zielt auf die Zerschlagung von Lieferketten und Zwischenlagern der Boote und stützt sich sowohl auf die verstärkte Zusammenarbeit der Innenministerien Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Belgiens und der Niederlande in der sogenannten Calais Group, als auch auf die Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie der Türkei und Bulgarien. Trotz des Brexit bleibt Großbritannien damit in die europäische Zusammenabeit der Strafverfolgungsbehörden eingebunden. Die britische Regierung unter Premier Starmer stattet diesen Ansatz momentan mit erheblichen finanziellen und personellen Ressourcen aus und strebt weitreichende gesetzliche Befugnisse nach dem Vorbild der Terrorismusbekämpfung an (siehe hier). Momentan führt die National Crime Agency nach eigenen Angaben etwa 70 Ermittlungen „gegen Netzwerke oder Einzelpersonen auf der obersten Ebene der organisierten Einwanderungskriminalität oder des Menschenhandels“ durch. Einige der Gesuchten stünden „ganz oben auf der Prioritätenliste der NCA“.

Obwohl die aktuelle Festnahme in den Niederlanden geschah, dürfte sich der Fokus weiterhin auch auf Deutschland richten. Ende Oktober 2024 berichtete BBC über eine offenbar neue Variante kommerzieller Schleusungen. Sie basiert auf dem Verkauf der Boote bereits in Deutschland, für die der Käufer dann eine ausreichende Zahl an Passagier_innen finden muss und selbst für die Organisation der Passage verantwortlich ist. Geographische Basis dieses Geschäftsmodells, das sich laut BBC auch im Fokus der NCA befindet, ist die nordrhein-westfälische Stadt Essen.