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Calais

Weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen

Am 8. April 2020 machte Auberge des Migrants zum wiederholten Mal in einem offenen Brief an den Präfekten des Pas-de-Calais und über Facebook auf die unzulässige Verschlechterung der Lebensbedingungen im Jungle und den Camps von Calais aufmerksam. Mängel bestehen demnach in Bezug auf Hunger, Ratten, ungenügende Wasserversorgung, Müll, Abschiebung, Gewalt und Geldstrafen.

Bezüglich der Lebensmittelversorgung schreibt die Organisation im Brief an den Präfekten:

„Wir möchten Sie nochmals auf die katastrophale materielle Lage der Geflüchteten hinweisen, die in Calais und in den benachbarten Gemeinden überleben.

La Vie Active, die vom Staat beauftragte Einrichtung, die verschiedene Hilfeleistungen in Calais übernimmt, hat am 23. März aufgehört, warme Mahlzeiten zu verteilen. Das am frühen Nachmittag verteilte ‚Lunchpaket‘ (Brot, Geflügelwurst, Käse, ein Stück Obst) reicht mengenmäßig nicht aus und selbst zusammen mit dem morgens verteilten Frühstück deckt es keineswegs den täglichen Nahrungsbedarf der Geflüchteten. Die internationalen Nahrungsmittelnormen, die für auf Nahrungsmittelhilfe angewiesene Bevölkerungen gelten, werden nicht eingehalten (Kalorien- und Proteingehalt, Vitaminwert, Ballaststoffe …). Auch ist die mindere Qualität der verteilten Nahrungsmittel zu unterstreichen.

Demzufolge standen am 6. April, ab 8 Uhr, etwa hundert Menschen Schlange, um auf die Essensverteilung durch La Vie Active um 8:40 Uhr zu warten, was ein großes Problem darstellte in Bezug auf Confinement-Maßnahmen zur Begrenzung der Ansteckungsrisiken. Wir haben Dutzende Aussagen von Geflüchteten erhalten, die über Hunger klagen, insbesondere von dem Gelände nahe dem Krankenhaus, wo es letzten Freitag (3. April) nicht möglich war, ein zweites Lebensmittelpaket für den Bedarfsfall zu bekommen.“ (Ein vor dem Krankenhaus gelegenes Brachgelände wird seit mehreren Jahren von Geflüchteten als Camp und Treffpunkt und von den Hilfsorganisationen als Verteilungsstelle genutzt.)

In verschiedenen Facebook-Mitteilungen ging die Auberge des Migrants auf weitere Missstände ein. (Die Organisation nutzt in der Regel Facebook und weniger ihre Homepage für Veröffentlichungen; die erwähnten Mitteilungen sind hier chronologisch abrufbar.)

Da nur noch Lunchpakete verteilt werden, die die Geflüchteten mit in ihre Zelte nähmen, habe sich eine Rattenplage entwickelt. Nachts würden diese Löcher in die Zelte nagen, um an die Lunchpakete zu gelangen. Die Stadt Calais weigere sich, Mülltonnen aufzustellen. Zwar würden Volunteers der Hilfsorganisationen gemeinsam mit den Geflüchteten Müll wegräumen. Mülltonnen und Müllsäcke aber fehlten und es sei nicht gewährleistet, dass diese auch abgeholt würden.

Ebenso kritisiert Auberge des Migrants die unzureichende Wasserversorgung durch La Vie Active, eine staatlicherseits beauftragte Hilfsorganisation. Eine feste Wasserstelle gäbe es nur auf deren Anlaufstelle an der Rue des Huttes, also inmitten des Jungle, der das größte und ausgedehnteste Camp in Calais darstellt. Viele Geflüchtete lebten jedoch ein bis drei Kilometer entfernt. An diesen Orten gebe es nur einen mobilen Wassertank oder eine Verteilung von Wasserkanistern. Dies sei evident unzureichend. So würden in der Nähe des Krankenhauses, wo ca. 100 Geflüchtete lebten, lediglich 20 Kanister zu je 5 Liter verteilt, also nur ein Liter pro Person und Tag. Und dies, obwohl der der Staatsrat, das oberste französische Gericht, die Behörden bereits im September 2017 verpflichtet hätte, Wasserstellen zu installieren. Humanitäre Hilfsorganisationen wie Auberge des Migrants, Help Refugees, das Woodyard-Team und Utopia 56 würden zwar Wasserflaschen kaufen und verteilen, könnten dies aber nicht in ausreichendem Maße gewährleisten.