Am 18. März 2021 wurde auf dem Gelände des BMX-Camps am östlichen Rand von Calais eine Räumungsverfügung der Kommune ausgehängt. Dies ist das übliche Verfahren, mit dem Räumungen eingeleitet werden, die auf eine Auflösung des betreffenden Siedlungsplatzes zielen und sich dadurch von den viel häufigeren Räumungen im 48-Stunden-Turnus unterscheiden. Wie auch in vergleichbaren Fällen (siehe u.a. hier und hier), beinhaltete das Verfahren eine Anhörung vor dem Verwaltungsgericht, die für den 23. März anberaumt war. Das Gericht lehnte den Räumungswunsch der Stadt ab.
Das BMX-Camp ist die Lebensort einer fast 200 Menschen umfassenden eritreischen Community, die überwiegend aus alleinreisenden Männern besteht, aber auch Kinder und Frauen gehören dazu. Regelmäßig wird das BMX-Camp von humanitären und solidarischen Organisationen angefahren, die Zugang zu Nahrung, Recht, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und Informationen bieten und sich um Minderjährige kümmern; sowohl staatlich mandatierte als auch unabhängige Organisationen sind dort tätig.
Seit Langem ist das BMX-Camp von den alle 48 Stunden durchgeführten Räumungen betroffen, bei denen die Bewohner_innen in den Morgenstunden gezwungen werden, ihre Zelte abzubauen oder ein paar Meter zu verlegen. Darüber hinaus wurden zahlreiche Fälle von Polizeiübergriffen festgestellt: physische Gewalt, Zerstörung der Wasserversorgung und nächtliches Ausleuchten. Am 10. November 2020 wurde hier ein Eritreer während einer Polizeiaktion durch ein Gummigeschoss am Kopf schwer verletzt; die juristischen Verfahren zu diesem Gewaltakt, über den u.a. Libération und Le Monde berichteten, sind noch anhängig (siehe hier und hier).
Trotz der kurzen Vorbereitungszeit gingen vier Bewohner des Camps erfolgreich gegen die Räumung vor. Unterstützt wurden sie dabei von der erfahrenen Rechtshilfe-Initiative Cabane Juridique und der Organisation Utopia 56, die anwaltliche Vertretung übernahm Eve Thieffry. In seiner Entscheidung vom 26. März wies das Verwaltungsgericht die von der Stadt Calais vorgebrachte Argumente zurück. Es sei nicht erwiesen, dass das Camp die öffentliche Gesundheit und die Menschenwürde beeinträchtige. Ebensowenig sei erwiesen, dass es die nahegelegenen Sportanlagen oder die (dort nicht vorhandene) Nachbarschaft störe oder übermäßige Reinigungskosten verursache.
La Cabane Juridique wertet die Entscheidung als einen „echten Sieg“. Denn es werde nun schwieriger, eine frühere Räumungsentscheidung einfach per „copy and past“ zu übernehmen.
Quelle: Presseerklärung von Cabane Juridique auf Passeurs d’hospitalités, 29. März 2021. – Siehe auch: InfoMigrants, 30. März 2021.