Kategorien
Calais

Ermittlungen zum CRS-Einsatz mit Schwerverletztem

Die französische Polizei hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Boulogne-sur-Mer interne Ermittlungen wegen des Einsatzes von Gummigeschossen durch die Polizeieinheit CRS am 11. November 2020 eingeleitet; durchgeführt werden die Ermittlungen von der zuständigen Generalinspektion der Nationalpolizei IGPN (Inspection générale de la police nationale). Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch die am 18. Januar erstatte Anzeige eines 45jährigen Eritreers, der während des Polizeieinsatzes an einem Camp in Calais schwer verletzt worden war (siehe hier). Er hatte unter anderem Knochenbrüche des Gesichts, der Augenhöhlen und der Zähne erlitten und hat sich aufgrund der Verletzungen rund zwei Monate in stationärer Behandlung befunden.

Sein Anwalt Etienne Noël kündigte an, parallel beim Verwaltungsgericht Lille die Benennung eines medizinischen sowie eines ballistischen Sachverständigen zu beantragen. Vermutlich wird sich der Betroffene nicht alleine auf die interne Ermittlungsergebnisse verlassen, sondern versuchen, die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren feststellen zu lassen.
Rechtsanwalt Noël geht davon aus, dass der Einsatz der Gummigeschosse aus rund 9 Metern Entfernung auf Kopfhöhe erfolgt ist, und damit gegen die Einsatzregeln verstoßen habe. Diesen Vorwurf hatte bereits die eritreische Gemeinschaft in Calais in einem offenen Brief am 17. November erhoben. Der Betroffene war während seiner stationären Behandlung lange Zeit nicht ansprechbar, so dass er vermutlich erst im Januar überhaupt in der Lage war, die Anzeige zu erstatten.

Befremdlich erscheint, dass die Präfektur offenbar keinerlei Anlass sah, von sich aus Ermittlungen anzustrengen. Sie begnügte sich damit, am Abend des 11. November 2020 mitteilen zu lassen, der Abschuss von mehreren Trängaskartuschen und fünf Gummigeschossen sei notwendig gewesen, um die Ruhe wiederherzustellen, nachdem eine Gruppe von 10 Exilierten anlässlich einer Absperrung die Beamten mit Steinen beworfen habe. Weder die Tatsache, dass ein Schwerverletzter zu beklagen war, noch die von Augenzeug*innen erhobenen Vorwürfe, waren für die Präfektur Anlass genug, über die kurze Stellungnahme am Tag des Ereignisses hinaus, auch nur Ermittlungen zu veranlassen.

Quellen: