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Calais

Zwei Tote in Marck

Gedenkfeier in Calais, 21. Dezember 2021. (Foto: Utopia 56)

In den vergangenen Tagen starb nicht nur ein Lastwagenfahrer nach einem Konflikt mit Exilierten, wovon unser voriger Beitrag handelt. Am gleichen Tag wurde in der Gemeinde Marck bei Calais die Leiche eines Menschen angespült – vermutlich ein Geflüchteter, der im Ärmelkanal ertrunken ist. In der folgenden Nacht verunglückte ebenfalls in Marck ein Jugendlicher tödlich beim Versuch, sich in einem Lastwagen mit dem Fahrtziel Großbritannien zu verstecken.

Es ist nicht das erste Mal, dass an den nordfranzösischen Stränden in letzter Zeit ein menschlicher Körper aufgefunden wird. Ob es sich um einen Exilierten handelt, der eine Bootspassage nicht überlebt hat, ist in solchen Fällen anzunehmen, bleibt aber zunächst oft unklar, weil die Körper in Versesung übergegangen sind und nur schwer identifiziert werden können. So auch in diesem Fall. „Angesichts des Zustands kann man davon ausgehen, dass er lange im Wasser war“, erklärte der Staatsanwalt von Boulogne-sur-Mer nach dem Leichenfund vom 19. Dezember gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Ob es sich um einen Exilierten handle, lasse sich daher nicht mit Sicherheit sagen. Die Behörden versuchen momentan, die Identität des Opfers zu klären.

Leichenfunde an der nordfranzösischen Küste häufen sich seit einigen Monaten. Zuletzt war am 10. Dezember die Leiche eines Ertrunkenen gefunden worden (siehe hier), davor am 3. und 4. November (siehe hier). Gleichzeitig nahm Zahl auf See vermisster Exilierter zu und die französischen Rettungsdienste absolvierten mehr Einsätze denn je.

Der zweite Todesfall, über den wir im vorigen Beitrag bereits kurz berichtet haben, ereignete sich am 20. Dezember. Wie die Zeitung La Voix du Nord und der Blog InfoMigrants unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichten, war das Opfer ein 16 Jahre alter Jugendlicher aus dem Sudan. Sein Alter geht offenbar auf Papieren hervor, die er mit sich führte, allerdings wurden noch keine weiteren Angaben über seine Identität gemacht. Der Jugendliche habe zwischen 4 und 5 Uhr versucht, sich im Gewerbegebiet Transmarck auf einem Lastwagen nach Großbritannien zu verstecken. Er habe sich zwischen dem Führerhaus und dem Anhänger befunden, als der Lastwagen losfuhr, sei dabei zu Boden gestürzt und überfahren worden. „Er wurde verletzt, war aber bei Bewusstsein und wurde von der Feuerwehr von Marck in das Krankenhaus von Calais gebracht, wo er verstarb“, so die Zeitung.

Weiter wird berichtet, dass der junge Mann „von einer Gruppe von etwa 40 Migranten begleitet“ wurde, von denen nach dem Unfall „Steine auf das Fahrzeug geschleudert“ worden. Dabei sei der osteuropäische Fahrer leicht verletzt und später dann von der Polizei vernommen worden. Gegen ihn ermittle das Polizeikommissariat Calais wegen fahrlässiger Tötung.

Der Todesfall ereignete sich im Gewerbegebiet Transmarck, wo seit Jahren in einer hochgradig überwachten Umgebung wichtige Infrastrukturen für den Lastkraftverkehr nach Großbritannien konzentriert werden. Bereits am 28. September waren Yasser Abdallah (siehe hier) und am 21. Oktober Mohammed Al-Amin (siehe hier) dort unter sehr ähnlichen Umständen ums Leben gekommen; auch Yasser war erst 16 Jahre alt.

Am Abend des 21. Dezember fand in Calais, wie immer in solchen Fällen, eine Gedenkveranstaltung statt. Einmal mehr wiesen die Teilnehmer_innen darauf hin, dass es nicht unglückliche Umstände sind, die töten, sondern die Grenze.

[Update, 16. Januar 2022: Inzwischen wurde die Identität des in Transmarck gestorbenen Mannes bekannt. Er hieß Musab Mahmoud Muhammad Omar.]