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Dunkerque & Grande-Synthe

Tödlicher Schuss im Jungle von Loon-Plage

Am frühen Morgen des 14. Februar 2023 wurde ein Mann aus dem Irak in einem Camp bei Loon-Plage westlich von Dunkerque erschossen. Über das Opfer, die Tat und ihre Hintergründe ist bislang nur wenig bekannt. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass in dem als Jungle von Loon-Plage bekannten Camp Menschen durch Schusswaffen verletzt und auch getötet wurden. Neben den unfassbar elenden Lebensbedingungen sind zirkulierende Waffen, aber auch gewaltsam ausgetragene Konflikte und Machtdemonstrationen rund um das Geschäft mit Schleusungen, seit Langem ein Problem.

Gedenken für den in Loon-Plage getöteten Mann in Dunkerque, 22. Februar 2023. (Quelle: Utopia 56 / Twitter)

Über das Geschehen liegen bislang nur bruchstückhafte Informationen vor. Die Zeitung La Voix du Nord berichtete am 14. Februar, dass sich die Tat kurz vor 5.30 Uhr ereignet habe. Die alarmierten Rettungsteams hätten das Opfer, einen irakischen Kurden, schwerverletzt vorgefunden und in das Krankenhaus in Lille gebracht.

Einige Tage später wurde über die Nachrichtenagentur AFP bekannt, dass das Opfer 1989 geboren war. Unter Berufung auf den Staatsanwalt Sébastien Piève heißt es weiter, der Mann sei von einer anderen Person aufgefunden worden, die dann den Rettungsdienst alarmiert habe. Die Ermittler_innen hätten „die Hypothese aufgestellt, dass er getroffen wurde, als er sich in seinem Zelt befand“. Bei seiner Verletzung handelte es sich um einen Kopfschuss.

Auch die Hintergründe der Tat sind unklar. „In Anbetracht des allgemeinen Kontexts könnten diese Taten den Gewaltbewegungen entsprechen, die bei Abrechnungen zwischen Schleusern beobachtet werden“, erklärte Piève. Allerdings müssten die Umstände und Motive noch ermittelt werden und es habe bislang keine Festnahmen gegeben.

Die Koordinatorin von Utopia 56, Amélie Moyart, wies in einem Interview mit InfoMigrants auf „steigende Spannungen“ in dem Camp hin. „Die Menschen leben unter schwierigen Bedingungen, sie werden allein gelassen und im Lager kursieren Waffen.“

Dass in Loon-Plage, wie auch in den Vorgängercamps im benachbarten Grande-Synthe, Waffen vorhanden sind und Mitarbeiter von Schleusergruppen bewaffnet agieren, ist seit Jahren bekannt. Im vergangenen Jahr wurden mehrere Menschen verletzt und getötet. Am 22. Mai 2022 schossen Unbekannte während der Verteilung von Mahlzeiten Salven ab und verletzten mehrere Geflüchtete, am folgenden Tag wurden einem nahegelegenen Wald ein Mann erschossen und ein weiterer verletzt (siehe hier). Am 30. August 2022 schoss eine bewaffnete Gruppe auf schwarze Bewohner_innen des Camps und verletzte neun Personen teils schwer (siehe hier). In der Nacht vom 6./7. September folgten Schüsse auf zwei Geflüchtete – Medien sprachen von einer regelrechten Hinrichtung, eines der Opfer starb. Und am 7. September wurde ein weiterer Mann auf offener Straße im Camp durch einen Kopfschuss getötet (siehe hier und hier). Auch losgelöst von diesen Eskalationen wird immer wieder von nächtlichen Schüssen berichtet.

Der getötete Mann aus dem Irak ist der zweite Mensch, der in diesem Jahr im Kontext der britisch-kontinentaleuropäischen Grenze starb. Am 22. Februar versammelten sich die im Camp tätigen Hilfsorganisationen in Dunkerque zu einer Gedenkveranstaltung für ihn und die anderen Toten der Grenze.