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Calais

Ein weiterer Tod in Transmarck

Erneut ist im Gewerbegebiet Transmarck bei Calais ein Exilierter ums Leben gekommen. Es ist der vierte dokumentierte Todesfall im französisch-britischen Grenzraum in diesem Jahr. Über die Identität des Toten ist bislang nur bekannt, dass es sich um einen jungen Mann aus dem Sudan handelte.

Lokalen Medien zufolge versuchte der Mann am Morgen des 31. Mai 2023, in der Nähe des Betriebsgeländes der Firma C4T Europe auf einen Lastwagen nach Großbitannien aufzuspringen. Die Firma betreibt dort eine gesicherte Anlage für das Parken und Betanken einer großen Anzahl von Lastwagen. Das seit Jahren expandierende Gewerbegebiet auf dem Territorium der Gemeinde Marck beherbergt ausschließlich Betriebe, die auf den Lastkraftverkehr nach Großbritannien spezialisiert sind. Die Anlagen sind durch Zäune, Überwachungstechnologie und Polizeipräsenz stark sekuritisiert. Unmittelbar neben Transmarck befindet sich das Camp Old Lidl, in dem einige hundert Exilierte leben, die meisten von ihnen aus dem Sudan.

Blick vom Camp Old Lidl zum C4T-Gelände im Gwerbegebiet Transmarck, Mai 2023. (Foto: Th. Müller)

Die Zeitung La Voix du Nord sprach nach dem Todesfall mit einem aus dem Tschad stammenden Bekannten des Opfers. Demnach rannte der Sudaner hinter einem Lastwagen her, der die C4T-Parkanlage verließ. Als der Fahrer nach einem Stopp anfuhr, „versuchte der junge Mann, zwischen dem Anhänger und der Fahrerkabine hinaufzuklettern, rutschte jedoch aus und geriet unter die Räder des LKWs,“ so die Zeitung. „Wir versuchen es jeden Tag […]. Diesen Monat haben wir zwei Menschen verloren. Und drei Personen hatten (gebrochene) Gliedmaßen“, zitiert die Zeitung den tschadischen Exilierten.

In der Tat starben in den vergangenen Jahren immer wieder Geflüchtete bei Versuchen, in Transmarck zwischen Fahrerkabine und Anhänger langsam fahrender Laster zu klettern (siehe hier, hier, hier und hier). Weitere Menschen starben in Transmarck und in der Umgebung von Old Lidl durch Unfälle und Suizide auf einer Bahnstrecke und der Autobahn zum Fährhafen (siehe hier, hier, hier, hier, hier und hier). Fast alle stammten aus dem Sudan. Der bislang letzte Todesfall ereignete sich am 10. Mai 2023 (siehe hier). Nirgendwo sonst an der nordfranzösischen Küste sterben so viele Exilierte in einem so kleinen Raum und unter so ähnlichen Umständen wie hier.

Über die Identität des Toten gibt es bislang keine genaueren Informationen. „In dreißig Jahren ist dies mindestens das 369. Opfer an dieser Grenze“, schrieb Utopia 56 nach dem Bekanntwerden des Todesfalls. „Das Fehlen von sicheren Passagen tötet. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen und seinen Gefährten im Exil.“

Gedenken in Calais, 1. Juni 2023. (Quelle: Calais Appeal / Twitter)

[Update, 2. Juni 2023]

Am Abend des 1. Juni gedachten in Calais etwa 60 Personen des Verstorbenen. Inzwischen ist sein Vorname bekannt: Er hieß Sami. Bei der Feier wurde an alle Toten der Grenze erinnert und ein Banner mit ihren Namen gezeigt.