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Calais

Tödliche Konflikte zwischen Exilierten

[Korrigiert, siehe unten] Im November 2023 starben in Calais zwei Exilierte an Verletzungen, die sie bei gewaltsam ausgetragenen Konflikten mit anderen Exilierten erlitten hatten. Die beiden Todesfälle resultieren aus zunehmenden Spannungen, die durch die bewusste Verknappung von Ressourcen noch verschäft werden.

Der jüngste dieser Todesfälle ereignete sich am 13. November 2023. Am frühen Abend wurde, so die Zeitung La voix du Nord, ein 22-jähriger Mann unter der Mollien-Brücke in der Calaiser Innenstadt durch eine Stichverletzung an der Kehle getötet. Beim Eintreffen der Rettungskräfte sei er bereits tot gewesen. Er hieß Abdelbassit Nourredine Ahmad Mohammad, war sudanischer Nationalität und stammte aus einer Stadt im Osten des Landes, so das dokumentarische Projekt Deaths at border France/Belgium/UK.

Der tödliche Messerstich soll sich, so die Zeitung weiter, „während einer Schlägerei zwischen mehreren Personen ereignet haben“. Nach dem Eintreffen der Polizei hätten mehrere Zeug_innen die Todesursache bestätigt.

Ein ähnlicher Vorfall hatte sich bereits am Nachmittag des 22. Oktober 2023 an der Avenue Toumaniantz im Südosten von Calais ereignet. Nach Informationen von La voix du Nord wurde das Opfer „mit einer Stichwaffe verletzt“ und mit Verletzungen im Gesicht und am Rücken in das Krankenhaus eingeliefert. Dort starb er am 11. November 2023 nach mehrwöchigem Koma – zwei Tage vor dem neuerlichen Tötungsdelikt. Der Name des Opfers war Awad Adam Goudatullah.

Die Zeitung stellt die tödlichen Konflikte in den Kontext wiederholter Konfrontationen zwischen Exilierten, bei denen bereits mehrfach Menschen verletzt wurden. Die lokale Berichterstattung lässt eine Zunahme solcher Konflikte erkennen, deren Hintergründe und Anlässe jedoch unklar bleiben. Auch lässt sich aus den Berichten herauslesen, dass diese Art der Gewalt auf die Konfliktparteien beschränkt bleibt und sich beispielsweise nicht gegen Bürger_innen oder Ordnungskräfte richtet. Die Konfrontationen entstehen und verlaufen trotz ihrer medialen Sichtbarkeit also intern.

Im Gespräch mit unserem Blog bestätigten auch zivilgesellschaftliche Akteure eine Zunahme der Auseinandersetzungen vor allem seit dem Sommer. Offenbar verlaufen die Konfliktlinien zwischen Gruppen sudanischer und afghanischer Herkunft.

Über die Hintergründe lässt sich nur spekulieren, aber sehr wahrscheinlich spielt die Konkurrenz um Ressourcen eine wichtige Rolle. Möglicherweise geht es um den knappen Raum für Camps oder den Zugang zu Migrationspfaden, vielleicht aber auch um den Zugang zu den wenigen Trinkwasserbehältern oder den distributions von Nahrung und Hilfsgütern. Solche Muster sind in Calais aus Verteilungskämpfen in den 2010er-Jahren bekannt, die teils ebenfalls zwischen afghanischen und sudanischen Gruppen ausgetragen wurden.

Wenn dies zutrifft, wenn also tatsächlich Menschen gewaltsam um elementare Ressourcen konkurrieren und im äußerten Fall sogar dafür sterben oder töten, so kann dies nicht losgelöst von der politisch gewollten Verschließung des Zugangs zu eben diesen Ressourcen bewertet werden.

Der Tod der beiden jungen Männer fügt sich zugleich in eine Serie von Todesfällen ein, die auch für die nordfranzösische Grenzregion ungewöhnlich massiv ist. Seit August starben mindestens 18 Exilierte – die meisten bei versuchten Grenzpassagen oder im Zusammenhang mit ihren prekären Bedingungen und Perspektiven.

[Der ursprünglichen Fassung dieses Beitrags enthielt einen schweren Fehler: Wir hatten den Todesfall vom 13. November versehentlich auf den 13. August datiert und dadurch auch die zeitliche Abfolge falsch dargestellt. Dies haben wir nun berichtigt. Wir bitten um Entschuldigung. tm]