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Ruanda, Plan B

Britischen Medien zufolge arbeitet die britische Regierung an einem alternativen Verfahren, um illegalisierte Migrant_innen nach Ruanda zu verbringen. Anders als der bisherige Ruanda-Deal, der die zwangsweise Deportation in das afrikanische Land und den Ausschluss der Betroffenen aus britischen Anerkennungsverfahren vorsieht, soll das neue Verfahren auf freiwilliger Basis erfolgen und sich an ein gescheitertes Anerkennungsverfahren anschließen. Außerdem ist von einem finanziellen Anreiz die Rede. Das Vorhaben ist jedoch keine Abkehr vom bisherigen Ruanda-Deal, der parallel dazu weiter verfolgt wird.

Die Times berichtete am 12. März 2024 erstmals über das neue Vorhaben, danach griffen zahlreiche britische und internationale Medien das Thema auf. Demnach bereitet die britische Regierung ein Verfahren zur freiwilligen Umsiedlung nach Ruanda vor. Das Verfahren richte sich an Personen ohne Bleibeperspektive in Großbritannien, die nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden könnten. Als Anreiz sollen sie bis zu 3.000 britische Pfund sowie Untersützung durch ruandische Behörden erhalten.

Laut Times ist das Vorgaben nicht mit dem bisherigen Ruanda-Deal identisch und soll diesen nicht ersetzen. Vielmehr knüpfe es an bestehende Regelungen zur freiwilligen Rückkehr in das Heimatland an, was im Jahr 2023 von etwa 19.000 Personen in Anspruch genommen worden sei. Gleichzeitig basiere es auf den bestehenden britisch-ruandischen Vereinbarungen, die den ursprünglichen Ruanda-Deal ermöglichen sollen. Das Blatt zitiert einen Sprecher des Innenministeriums mit der Aussage, das freiwillige Verfahren ergänz den Gesetzesentwurf der britischen Regierung zur Einstufung Ruandas als sicheren Drittstaat. Dieser Gesetzesentwurf (Safety of Rwanda Bill and Treaty) soll Bedenken des Supreme Court gegen die Umsetzung des Ruanda-Deals unterlaufen und damit eine wichtige juristische Hürde zur Umsetzung des Ruanda-Plan beseitigen. Momentan befindet er sich in der kontrovers ausgetragenen Abstimmung zwischen den beiden Parlamentskammern.

„Es wäre das erste Mal, dass Migranten dafür bezahlt würden, das Vereinigte Königreich zu verlassen, ohne in ihr Herkunftsland zurückzukehren“, merkt InfoMigrants an. Sollte das Verfahren umgesetzt werden, so bleibt zu fragen, wie freiwillig die Zustimmung der betreffenden Personen tatsächlich sein wird oder ob sie etwa durch erhöhten Druck erzeugt würde. Zudem ist offen, wie ernsthaft das Vorhaben verfolgt wird und wie weit die Vorbereitungen überhaupt fortgeschritten sind.

Hinzu kommt der spezielle Kontext, in dem das Vorhaben offentlich wurde. Der Bericht der Times reiht sich in eine Folge vergleichbarer Meldungen ein, mit denen die britische Regierung ihren Willen zur Umetzung des Ruanda-Deals dokumentieren will. Die Ankündigung eines möglichen Ruanda-Verfahrens auf freiwilliger Basis dürfte vor allem innenpolitisch motiviert sein, denn er erhöht die Chance, während des bevorstehenden Wahlkampfs doch noch jene Bilder von Ausfliegungen nach Ruanda zu produzieren, die den Tories bislang fehlen.

Dies könnte bei mangelnder Differenzierung zu einem doppelten Missverständnis führen: Einerseits dem, dass die britische Regierung ihren Ruanda-Deal nach all den Rückschlägen nun doch noch umsetze. Und andererseits, der Ruanda-Deal sei für die Betroffenen freiwillig und mithin nicht so schlimm. Beide Fehleinschätzungen könnte die Bereitschaft auf dem europäischen Festland weiter erhöhen, die britische „Drittstaaten-Modell“ in die eigene migrationspolitische Agenda zu übernehmen.