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Dunkerque & Grande-Synthe

Der Todesfall in der Aa hat sich bestätigt

In der Nacht zum 3. März 2024 meldeten Exilierte den mutmaßlichen Tod eines der ihren. Er sei, so berichteten sie, im kanalisierten Fluss Aa bei Gravelines ertrunken, als er zu ihrem Boot gelangen wollte. Am 12. März machten zivilgesellschaftliche Organisationen den Fall publik, veröffentlichten Fotos des Vermissten und warfen den Behörden vor, nur unzureichend nach dem Vermissten gesucht zu haben (siehe hier). Inzwischen wurde eine Leiche entdeckt, bei der es sich höchst wahrscheinlich um den Vermissten, den 27jährigen Jumaa Alhasan aus Syrien, handelt. Zugleich lässt der Fall ein gravierendes Fehlverhalten der Behörden erkennen.

In ihrer Erklärung hatten die zivilgesellschaftlichen Organisationen dargelegt, dass die Behörden zwar eine Suchaktion per Drohne und Wärmebildkamera eingeleitet hatten, nachdem Utopia 56 den Notruf der Bootspassagiere erhalten und diese Information an die Behörden weitergeleitet hatte. Doch sei die Suche bereits nach kurzer Zeit ohne Ergebnis eingestellt worden. Auch als sich einige Tage später der Onkel des Vermissten an die Polizei wandte, sei der Vermisstenfall lediglich registriert worden. Die Organisationen verlangten eine Wiederaufnahme der Suche, da sie aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen davon ausgehen mussten, dass Jumaa nicht mehr lebte.

Wie die Zeitung La voix du Nord berichtet, wurde sein Körper wohl am Dienstag, dem 19. März, im Rahmen einer großangelegten Suchaktion im Kanal der Aa zwischen Gravelines und Grand-Fort-Philippe entdeckt. „Bereits am Sonntag war ein großes Aufgebot an Polizeikräften und Rettungsdiensten in der Nähe des Kanalufers […] zu sehen“, schreibt das Blatt. Am Montag und Dienstag sei die Suche fortgesetzt worden und schließlich die Leiche entdeckt worden. Allerdings galt die Suche nicht dem vermissten Syrer, sondern einem Bürger aus der Region, der suizidale Absichten geäußert hatte und ebenfalls vermisst wurde. Die Suche nach dieser Person wurde nach dem Leichenfund fortgesetzt.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Dunkerque wurden bei der Leiche Ausweispapiere auf den Namen des vermissten Syrers gefunden; Untersuchungen zur endgültigen Klärung der Identität und der Todesursache wurden eingeleitet, so das Onlinemedium InfoMigrants. Vor diesem Hintergrund ist es schlüssig anzunehmen, dass es sich um Jamaas Leiche handelt.

Der Fall wirft erhebliche Fragen nach dem Verhalten der Behörden auf. Außer Frage steht, dass es richtig war, mehrere Tage lang nach der Person mit vermuteter Suizidabsicht zu suchen. Die Frage ist aber, warum dies nicht in gleicher Weise geschah, nachdem Utopia 56 den Notruf der Bootspassagiere, die explizit Jamaas Tod vermuteten, an die Behörden weitergeleitet hatte. Utopia 56 spricht von einer Dauer der Suche von weniger als einer Stunde.

Hinzu kommen Aussagen, dass Jamaa im Zusammenhang mit einer jener routinemäßigen Polizeioperationen ums Leben kam, die das Ablegen des Bootes verhindern sollen. Solche Einsätze erzeugen immer wieder chaotische und letztlich riskante Situationen. In ihrer gemeinsamen Erklärung vom 12. März zitieren die zivilgesellschaftlichen Organisationen einen Augenzeugen mit der Aussage, Jamaa habe aus Furcht vor der Polizei versucht, noch auf das Boot zu gelangen. Auch habe die Polizei einen spontanen Hilferuf ignoriert: „Wir schrien nach der Polizei, aber das war ihnen egal. Einer von ihnen sagte uns: ‚Das ist nicht unsere Aufgabe‘ […].“

Diese Aussagen über die Todesumstände, aber auch das Missverhältnis im anschließenden Umgang mit dem Vermisstenfall, sind gravierend. Utopia 56 stellt den Fall darüber hinaus in den Kontext einer Risikokonstellation, die indirekt aus der Aufstockung der Polizeipräsenz entlang der nordfranzösischen Küste resultiert: „Je mehr die Polizeipräsenz zunimmt, desto mehr Risiken gehen die Menschen ein, um den Ärmelkanal zu überqueren, und desto mehr tödliche Zwischenfälle gibt es“, schrieb die Organisation nach dem Leichenfund und verwies auf einen im Januar vorgelegten Bericht von Alarmphone, in dem genau dieser Zusammenhang herausgearbeitet wird. „Diese Situation kann nicht länger andauern.“