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Channel crossings & UK

25.000 Bootspassagen seit Jahresbeginn

Seit Jahrsbeginn haben über 25.000 Menschen den Ärmelkanal in small boats überquert. Das Jahr 2024 dürfte, sollte sich die Entwicklung fortsetzen, bei einem leichten Anstieg gegenüber 2023 das Jahr mit den zweitmeisten Bootspassagen werden. Insgesamt zeichnet sich ein Einpendeln der jährlichen Channel crossings bei annähernd 30.000 Personen ab. Gleichzeitig häufen sich Berichte über dramatische und gewalttätige Situationen; in immer kürzeren Abständen sterben immer mehr Menschen, weitere sind auf See verschollen. Die Kanalroute hat sich von der vergleichsweise sicheren maritimen Passage in der Zeit um 2020 (siehe hier) zu einer der riskantesten Migrationsrouten innerhalb Europas entwickelt. Dies wird so bleiben, denn es hat strukturelle Ursachen.

Das Wochenende am 21. und 22. September 2024 war eines der meistfrequentierten auf der Kanalroute im laufenden Jahr. An den beiden Tagen erreichten nach Angaben der britischen Behörden elf Boote mit 707 Menschen bzw. dreizehn Boote mit 717 Menschen britisches Hoheitsgebiet. Damit stieg die Zahl der Ankünfte seit Jahresbeginn auf 25.052 Personen. Dies waren 4,4 % mehr als 2023, als im selben Zeitraum 23.996 Personen übersetzten, aber 20,3 % weniger als 2022 mit 31.686 Personen.

Allerdings lag die Zahl der Bootspassagen 2022 aufgrund von Sonderentwicklungen (siehe hier) außergewöhnlich hoch und stellt keinen guten Vergleichsmaßstab dar. Den langfristige Trend spiegeln eher die Zahlen der Jahre 2021, 2023 und 2023: In diesen Jahren beobachten wir (außer 2022) einen leichten, aber stetigen, Anstieg der Ankünfte per Boot. Wurde die Marke von 25.000 im Jahr 2021 am 18. November überschritten, war es 2023 der 23. Oktober und 2024 der 22. September. Die Gesamtzahl der jährlichen Ankünfte per Boot näherte sich der Marke von 30.000 an, die in diesem Jahr erreicht oder überschritten werden könnte.

Anders als das internationale Migrationsgeschehen, das Wetter und der steigende Überwachungsdruck, beeinflussten politische Zäsuren die Zahlen praktisch nicht. Weder führten die massiven Verschärfungen der Tory-Regierungen zu Einbrüchen, noch ließ deren Rücknahme durch die Labour-Regierung die Zahlen steigen. Im Gegenteil: Zwischen dem Antritt der Labour-Regierung am 5. Juli und dem 22. September 2024 erreichten 11.611 Personen britisches Hoheitsgebiet per Boot. Dies waren deutlich weniger als im gleichen Zeitraum der Jahre 2023 (12.563 Personen) und 2022 (18.786 Personen); weniger Ankünfte als 2024 waren zuletzt 2021 (9.704) registriert worden. Dieser seit drei Jahren andauernden Verringerung der Ankünfte im Hoch- bis Spätsommer steht die stärkere Frequentierung des übrigen Jahres, insbesondere der risikoreicheren kalten Jahreshälfte, gegenüber. Ein wesentlicher Grund ist die personelle und techologische Aufrüstung der französischen Küstenüberwachung (siehe hier).

Während sich die Zahl der Ankünfte per Boot also bei annähernd 30.000 pro Jahr einpendelt, nimmt die Zahl der Boote kontinuierlich ab. Zwischen dem 1. Januar und 22. September dieses Jahres erreichten 475 Schlauchboote britisches Hoheitsgebiet, dies war weniger als in den Jahren 2021 (648 Boote), 2022 (798 Boote) und 2023 (492 Boote). Entsprechend stärker sind die Boote überladen: Befanden sich 2021 durchschnittlich 27,5 Menschen auf einem Boot, stieg die Zahl auf 2022 auf 41 und 2023 auf 49. Im laufenden Jahr trägt ein Schlauchboot im Durchschnitt 52,5 Personen. Die Verknappung der Boote resultiert aus dem Verfolgungsdruck gegen kommerzielle Schleusungsnetzwerke, der bei den Lieferketten, Zwischenlagern und Anfahrtwegen ansetzt und die Küstenüberwachung in das Hinterland und in Drittländer erweitert.

Gleichwohl bleiben kommerzielle Schleusungen ein lukrativer Markt. Die Gewinnspanne bei einem mit 50 Personen beladenen Schlauchboot wird in einem momentan in Lille geführten Strafprozess gegen Angehörige eines zwischen 2020 und 2022 tätigen Schleusernetzwerks mit 100.000 Euro angesetzt. So grob die Schätzung ist, erscheint die Größenordnung realistisch. Wir können damit von einem Profit in Höhe einer mittleren achtstelligen Euro-Summe seit Jahresbeginn ausgehen. Für die Anbieter_innen kommerzieller Schleusungen ist dies ein starker ökonomischer Anreiz dafür, ihre Kund_innen bei stärkerem Verfolgungsdruck größeren Risiken auszusetzen, gewalttätiger vorzugehen und den Tod von Migrant_innen eher in Kauf zu nehmen.