Die britische Innenministerin Yvette Cooper gab am 28. November 2024 den Abschluss mehrerer Vereinbarungen mit dem Irak und der Autonomen Region Kurdistan bekannt. Das Paket zielt auf die Unterstützung irakischer und kurdischer Behörden bei der Grenzsicherung und der Bekämpfung von Schleusungen. Das Kabinett Starmer intensiviert damit seine Strategie, die kanalübergreifende Migration durch die Ausweitung und Internationalisierung der Strafverfolgung zu reduzieren. Entsprechende Erwartungen richtet die Regierung auch auf das bevorstehende Treffen der Calais Group, in der auch die Bundesrepublik Deutschland vertreten ist.
„Aus dem Irak, einschließlich der Autonomen Kurdischen Region, operierende Schmugglernetzwerke haben Tausende von Menschen in die ganze Welt, auch über den Ärmelkanal ins Vereinigte Königreich, geschleust, die Grenzsicherheit untergraben und Menschenleben gefährdet“, heißt es in einer Pressemitteilung der britischen Regierung. Dass Netzwerke aus dem Irak bzw. dem kurdischen Norden des Landes seit etlichen Jahren eine wesentliche Rolle bei kommerziellen Schleusungen in der Kanalregion spielen, ist unbestitten. Erst in diesem Jahr mündete beispielsweise eine Investigativrecherche der BBC in der Festnahme einer Schlüsselperson im irakisch-kurdischen Sulaymaniyah (siehe hier).
Die Vereinbarungen unterzeichnete Cooper während eines dreitätigen Irak-Besuchs. Dabei traf sie den irakischen Premierminister Mohammed Shia’ Al Sudanl, Innenminister Abdulameer Al-Shimmeri, Außenminister Fuad Hussein und dem Obersten Richter Faik Zidan. In der Autonomen Region Kurdistan sprach sie mit Präsident Nechirvan Barzani, Premierminister Masrour Barzani, dem stellvertretenden Premier Qubad Talabani und Innenminister Rebar Ahmed. Begleitet wurde Cooper von Border Security Commander Martin Hewitt. Das von der Regierung Starmer neu geschaffene Kommando soll die polizeilichen und nachrichtendienstlichen Ressourcen Großbritanniens bündeln und international vernetzen.
Die einzelnen Vereinbarungen scheinen gezielt auf die Bekämpfung kommerzieller Schleusungen via Ärmelkanal zugeschnitten worden zu sein. UK/Iraq border security pact to target smuggling gangs, so lautet bereits die Überschrift der offiziellen Pressemitteilung.
Zu den Vereinbarungen gehört eine „gemeinsame Erklärung zur Grenzsicherheit“ zwischen Großbritannien und dem Irak, „in der sich beide Länder zu einer engeren Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Menschenschmuggels und zur Stärkung der Grenzsicherheit verpflichten“. Die Vereinbarung baue „auf der operativen Arbeit auf, die bereits zwischen den britischen Strafverfolgungsbehörden, einschließlich der National Crime Agency, und dem Irak geleistet wird.“ Großbritannien werde „bis zu 300.000 Pfund“ für die „Ausbildung der irakischen Strafverfolgungsbehörden“ bereitstellen, fokussiert auf „die organisierte Einwanderungskriminalität und den Drogenhandel“.
Darüber hinaus sagte London weitere 200.000 Pfund „zur Unterstützung von Projekten in der Autonomen Kurdischen Region“ zu. Dadurch sollen Kapazitäten zur Bekämpfung der „irregulären Migration und der Grenzsicherheit“ verbessert werden, „einschließlich einer neuen Taskforce“.
Weiter unterzeichnete Cooper eine Absichtserklärung, in der sich Großbritannien und der Irak zum Ausbau ihrer „operative und bilaterale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der schweren organisierten Kriminalität, einschließlich der organisierten Einwanderungskriminalität, des Drogenhandels, der modernen Sklaverei und des Menschenhandels sowie der illegalen Finanzgeschäfte“ verpflichten. In diesem Zusammenhang ist von einer weiteren Unterstützung in Höhe von 300.000 Pfund die Rede.
Sowohl mit der irakischen als auch der kurdischen Seite vereinbarte Cooper „Kommunikationskampagnen“ mit dem Ziel, „Falschinformationen und Mythen entgegenzuwirken, die von Menschenschmugglern online verbreitet werden.“
Abgerundet wurde das Paket durch eine „gemeinsame Erklärung zur Migration“. Sie zielt, so die britische Regierung, auf die erleichterte Abschiebung von Menschen, „die kein Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich haben“, sowie auf Reintegrationsprogramme für Rückkehrer_innen.
Die einzelnen Elemente dieses Pakets sind nicht neu; sie sind in der einen oder anderen Form bereits in früheren Abkommen enthalten, die Großbritannien zunächst mit Frankreich, dann mit anderen EU- und Transitstaaten geschlossen hat. Neben der behördlichen Zusammenarbeit sind auch Online-Kampagnen und Vereinbarungen zu Abschiebungen ein wiederkehrendes Element. Dazu gehört in der Regel auch der Informationsaustausch, der mit instabilen und autoritären Partnerländern problematisch ist, im aktuellen Fall jedoch unerwähnt bleibt. Hinzu kommt: Das neue Maßnahmenpaket das erste dieser Art mit einem wichtigen Herkunftsstaat der Channel migrants.
Insgesamt spricht die britische Regierung vom „bisher größten operativen Paket zur Bekämpfung der schweren organisierten Kriminalität und des Menschenschmuggels zwischen den beiden Ländern“. Sie verweist auf jüngst geschlossene Vereinbarungen mit Serbien, Nordmezedonien und Kosovo, um die Migration über den Balkan zu bekämpfen, sowie auf Vereinbarungen auf G7-Ebene (siehe hier). „Als Border Security Commander werde ich mit den Strafverfolgungsbehörden in aller Welt zusammenarbeiten, um das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler zu durchbrechen und Leben zu retten“, so Hewitt nach der Reise in den Irak.
Vor dem Hintergrund dieser Bemühungen zur Internationalisierung verweist die britische Regierung auch auf das bevorstehende Londoner Treffen der Calais Group, in der seit 2021 die Innenminister_innen Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, der Niederlande und Belgiens sowie Europol und Frontex zusammenarbeiten. Das Treffen ist nach Auskunft des deutschen Innenministeriums für den 10. Dezember anberaumt.