Kategorien
Channel crossings & UK

Ein fataler Einsatz der Gendarmerie

Die NGO Utopia 56 macht das fatale Fehlverhalten eines Angehörigen der Gendarmerie öffentlich. Dieser habe im vergangenen Herbst den Luftschlauch eines Bootes durchstochen, das sich bereits im Wasser befand, woraufhin eine Panik ausbrach und eine junge Frau zu ertrinken drohte. Die Frau überlebte knapp, trug aber schwere gesundheitliche Beeinträchtigen davon. Während die Präfektur die Vorwürfe abstreitet, hat Utopia 56 nun die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Der Fall ereignete sich in am 7. November 2024 an einem Strand in der Nähe von Calais. Freiwillige von Utopia 56 trafen dort am frühen Morgen auf sieben Männer, die nach einer gescheiterten Bootspassage durchnässt waren. „Während das Team heißen Tee und trockene Kleidung verteilt, berichten die Menschen von der vergangenen Nacht“, heißt es in der Pressemitteilung der Organisation.

Die Männer berichteten, so Utopia 56, dass kurz nach der Abfahrt der Motor ihres Bootes ausgefallen sei. „Der Wind und die Wellen hätten das Schlauchboot dann zu den Felsen entlang der Küste getrieben, und ein dort anwesender Gendarm habe einen der Schläuche durchstochen, was eine Panik ausgelöst habe“.

Laut Utopia 56 stimmen die Aussagen der sieben Männer, eines später angetroffenen weiteren Passagiers und eines weiteren Zeugen darin überein, dass eine Passagierin infolge dieser Situation beinahe ertrunken wäre: „Alle berichten, wie Menschen in der Panik über Bord gegangen seien und wie einer von ihnen den Namen einer Frau rief. Die Männer seien dann nach ihr getaucht und hätten versucht, sie zu finden und ihren Körper auf die Felsen zu hieven. Einer der Männer, mit denen wir gesprochen haben, erklärte, dass er mit Hilfe eines anderen Passagiers eine Herzmassage begonnen habe, während die Polizei in der Nähe nicht eingriff.“ Den Zeugen zufolge „dauerte es fast eine Stunde, bis sich ein Gendarm näherte und schließlich den Notruf absetzte.“ Die bewußtlose Frau sei dann mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus gebracht worden.

Inzwischen sei die Frau zu ihre Familie in der Türkei zurückgekehrt, leide jedoch an Schädigungen des Gehirns, die auf den Sauerstoffmangel während des Vorfalls zurückzuführen seien. „Ihr Zustand erfordert Rehabilitation, um wieder laufen zu können, sowie umfangreiche und langfristige Pflege, um ihre Verbrennungen zu behandeln, die durch die Mischung des Benzins mit dem Salzwasser entstanden sind.“

„Angesichts der Schwere der Vorfälle“ informierte Utopia 56 am 4. März 2025 die zuständige Staatsanwaltschaft in Boulogne-sur-Mer, um etwas mehr Licht in das Geschehen jener Nacht zu bringen. „Auch wenn es der Regierung und den Präfekturen nicht gefällt, werden wir weiterhin das Wort der Menschen, denen wir an der Küste begegnen, in die Welt tragen.“ Die Zeugen, die aus Furcht vor negativen Konsequenzen selbst keine Strafanzeige erstatten wollten, hätten sich damit einverstanden erklärt, ihre Aussagen anonymisiert weiterzugeben.

Utopia 56 erinnert daran, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Bei ihren systematischen Suchfahrten entlang der Küste erfahren die Teams der NGO immer wieder von Versuchen, bereits im Wasser befindliche Schlauchboote durch Aufstechen oder mit Hilfe von CS-Gas aufzuhalten, obwohl dies verboten ist. Utopia 56 erinnert an die jüngst erklärte Absicht des französischen Innenministers Bruno Retailleau, das Einsatzprotokoll so abzuändern, dass ein Anfangen im Wasser möglich sein soll. „Dies würde diese Praxis mit ihren dramatischen Folgen systematisieren.“