Die starke Frequentierung der Kanalroute, die bereits in den Wintermonaten zu beobachten war (siehe hier), dauert an – und ebenso die Serie tödlicher Vorfälle: Am 18. April 2025 starb ein weiterer Migrant während der Bootspassage. Sein lebloser Körper wurde in britischen Gewässern geborgen und in Dover an Land gebracht. [Updated, 20. April 2025]
Über den Ablauf der Ereignisse wurde zunächst nur wenig bekannt. Laut BBC sei die Polizei von Kent am Morgen des 18. April alarmiert worden, nachdem „eine Patrouille der Border Force auf einen medizinischen Notfall auf einem small boat im Ärmelkanal reagiert“ habe. In diesem Zusammenhang sei „ein Mann für tot erklärt“ worden. Dazu passend bestätigte die RNLI (Royal National Lifeboat Institution, die zivile Seenotrettung), dass eines ihrer Rettungsschiffe wegen eines „Vorfalls im Kanal“ angefordert worden sei. Auch sei „als Reaktion auf die im Kanal gemeldete Aktivität von small boats“ eine Such- und Rettungsoperation veranlasst worden.
Inzwischen wurden einige Details über die Bootspassage publik, bei der sich der Todesfall ereignete. Nach einer Presseerklärung der französischen Seepräfektur (Premar) wurde in den frühen Morgenstunden des 18. April „ein Boot gemeldet, das von Cap Blanc-Nez aus startete.“ Das Kap befindet sich westlich von Calais. Die regionale Leitstelle CROSS Gris-Nez habe das Boot aus der Luft und vom Wasser aus überwachen lassen. Die Besatzung des Patrouillenbootes Cormoran habe Kontakt zu den Menschen im Schlauchboot aufgenommen, die jedoch eine Rettung ablehnten und ihre Fahrt fortsetzten. Bis zum Erreichen der britischen Search and Rescue-Zone habe die Cormoran das Boot weiter überwacht, danach sei es von britischen Rettungskräften übernommen worden. „Bei der Bergung durch die britischen Einsatzkräfte, die von den Seeleuten der Cormoran unterstützt werden, wird eine Person als bewusstlos gemeldet. Ihre Evakuierung wird von der britischen Rettungszentrale koordiniert. Die Person wird von den britischen Rettungsdiensten bei der Annäherung an Dover für tot erklärt.“
Offenbar begannen die britischen Behörden noch in Dover mit ihren Untersuchungen. Nähere Informationen über die Identität des Mannes liegen bislang nicht vor.
Der Todesfall ereignete sich in einer Phase, in der nach einer längeren Schlechtwetterperiode wieder Bootspassagen begonnen haben, und zwar in einem für diese Jahreszeit ungewöhnlichen Ausmaß: Am 12. April registrierten die britischen Behörden die Ankunft von 656 Personen bzw. elf Booten; es war der höchste Wert seit Jahresbeginn. Dieser wurde bereits am 15. April übertroffen, als 705 Menschen bzw. zwölf Boote den Kanal passierten. Solche intensiven Tage wechselten sich mit Tagen ab, an denen keine oder nur wenige Boote übersetzten. Am 18. April waren es fünf Boote mit 253 Passagier_innen. Insgesamt setzten seit Jahresbeginn mehr als 9.300 Menschen über – dies sind 42 % mehr als im Vorjahr und zugleich mehr als in allen vorausgegangenen Jahren.
Auch auf der französischen Seite spiegelt sich diese Sitation, wie ein Rückblick auf die vergangenen Tage zeigt. „Heute Morgen sind etwa zehn französische Rettungsboote im Ärmelkanal im Einsatz. Wir haben 19 Seenotrufe erhalten, die Hunderte von Menschen repräsentieren“, meldete die NGO Utopia 56 am 15. April und fügte kurz darauf hinzu: „Selten haben wir so viele Boote gleichzeitig im Ärmelkanal gesehen. Und es ist erst der Anfang des Frühlings“. Am 17. April schrieb die Gruppe: „Die ganze Nacht über versuchten Gendarmen, Exilierte daran zu hindern, den Ärmelkanal zu überqueren. Am frühen Morgen räumten andere Gendarmerieeinheiten einen Lebensort [von Exilierten] bei Dunkerque: Am Gehen gehindert, am Bleiben gehindert.“
Auch Premar berichtet von zwei weiteren Rettungseinsätzen, die am 18. April parallel zur Begleitung des Schlauchboots stattfanden, von dem später der leblose Mann geborgen wurde. In beiden Fällen waren Boote in französischen Gewässern in Schwierigkeiten geraten, in einem Fall waren Menschen über Bord eines stark überfüllten Bootes gegangen. 24 Menschen wurden an Land gebracht, die übigen setzten ihre Fahrt zur Grenze fort.