„Großbritannien schließt die Tür für unbegleitete Flüchtlingskinder“, titelte die Zeitung The Independent am 26. Januar 2021. Hintergrund war eine Erklärung des britischen immigration minister (vergleichbar einem deutschen Staatssekretär) Chris Philp vier Tage zuvor. Der konservative Politiker hatte dargelegt, dass die britische Regierung nur noch in sehr begrenzten Fällen unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufnehmen werde. Ohne es direkt auszusprechen, erklärte Philp damit ein humanitäres Aufnahmeprogramm für beendet, das der Labour-Politiker Lord Alfred Dubs im Mai 2016 nach dem Vorbild der historischen „Kindertransporte“ der Jahre 1938/39 im britischen Einwanderungsrecht verankert hatte.
Schlagwort: Dubs Amendment
Interview mit Help Refugees zur rechlichen Situation in der Brexit-Übergangsphase
Wir berichteten vor einigen Tagen über das Vorhaben der britischen Regierung, bestehende Verpflichtungen zur Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter mit Familienangehörigen in Großbritannien zu beenden. Hintergrund war der Entwurf eines Abkommens, mit dem die britische Regierung in der anstehenden Verhandlungsrunde zum Brexit-Vertrag die bisherigen Verpflichtungen aus der Dublin III-Verordnung durch unverbindliche Regelungen ersetzen möchte. Gleichzeitig hatte die britische Regierung das Ende einer 2016 gesetzlich verankerte Regelung zur Aufnahme eines Kontingents unbegleiteter Minderjähriger, des Dubs-Programms (Dubs scheme), bekanntgegeben. Im folgenden Interview fragten wir Josie Naugthon, Geschäftsführerin von Help Refugees, über die heutige rechtliche Situation in der Übergangsphase zwischen dem Vollzug des Brexit im Januar 2020 und dem geplanten Abschluss eines Brexit-Vertrags zum Jahresende.
Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Calais und anderen nordfranzösischen Orten besteht bislang eine Chance, legal nach Großbritannien einreisen zu dürfen. Sofern Familienangehörige dort lebten, können sie sich auf Regelungen zur Familienzusammenführung in der Dublin-Verordnung der EU berufen. Für weitere Kinder und junge Jugendliche, die aufgrund ihrer Lebensumstände besonders gefährdet waren, war 2016 eine gesetzliche Sonderregelung, das Dubs Amendment nach dem historischen Vorbild der sogenannten Kindertransporte zur Rettung jüdischer Kinder in den Jahren 1938/39 geschaffen worden. Wie in den vergangenen Tagen bekannt wurde, hat die britische Regierung unter Boris Johnson dieses sogenannte Dubs-Verfahren für beendet erklärt und beabsichtigt darüber hinaus, die Regelungen zur Familienzusammenführung im Zuge der weiteren Brexit-Verhandlungen mit der EU abzuschaffen.