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Bislang keine britischen Rückführungsabkommen mit EU-Staaten

Wie die britische Zeitung Independent am 23. Mai 2021 berichtet, existieren bisher keine Rückführungsabkommen Großbritanniens mit EU-Staaten. Da das Brexit-Abkommen ebenfalls keine Regelung hierüber enthält, ist auch kein entsprechendes Abkommen mit der EU zu erwarten.

Aufgrund des EU-Austritts Großbritanniens zur Jahreswende 2020/21 ist die Dublin-III-Verordnung nicht mehr anwendbar. Diese regelt, welches Land in der EU für das Asylverfahren zuständig ist und verpflichtet den zuständigen Staat zur Aufnahme des/r Asylberwerber_in. Da entsprechende Vereinbarungen fehlen, wurde laut Independent seit dem 1. Januar 2021 kein_e Asylbewerber_innen mehr aus Großbritannien in ein EU-Land abgeschoben. Nach Recherchen der Zeitung existiert mit keinem einzigen EU-Staat eine entsprechende bilaterale Vereinbarung.

Als Staaten, die sich ablehnend über ein solches Abkommen geäußert haben, nennt der Independent: Frankreich, Belgien, die Niederlande, Deutschland, Spanien, Griechenland und Schweden.

Die Europäische Kommission sei der Auffassung, dass die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten keine individuellen Vereinbarungen mit Großbritannien treffen könnten. Dies sehe sie vielmehr als ihre eigene Aufgabe. Die einzelnen Mitgliedsstaaten hätten nur die Möglichkeit, administrativ-praktische Vereinbarungen zu treffen.

Wie wir mehrfach berichteten, hatte die britische Regierung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres versucht, möglichst viele Abschiebungen durchzuführen, vor allem von Geflüchteten, die den Ärmelkanal in Booten durchquert hatten (siehe u.a. hier, hier und hier). Im März legte das Innenministerium den New Plan for Immigration vor, der es per Gesetz erlauben soll, Asylanträge als unzulässig einstufen zu können (siehe hier und hier), wenn die Antragsteller_innen zuvor durch sichere Drittstaaten und explizit durch die EU gereist seien. „Abhängig von der Sicherstellung von Rückführungsabkommen werden wir versuchen, unzulässige Asylbewerber schnell in das sichere Land der letzten Einschiffung zurückzuführen“, so zitiert auch der Independent den Plan der Regierung.

Die Recherche der Zeitung sollte ermitteln, ob seitens der EU-Staaten die Bereitschaft bestehe, die dazu erforderlichen Abkommen zu schließen. Offenbar ist dies nicht der Fall, insbesondere nicht in Bezug auf wichtige Transitstaaten wie Frankreich und Belgien.

Das Ausscheiden aus dem Geltungsbereich der Dublin-III-Verordnung und das Fehlen einer neuen Vereinbarung hat allerdings auch negative Folgen, und zwar für Familienzusammenführungen von Asylbewerber_innen. Die Dublin-III-Verordnung regelt nämlich auch die Zuständigkeit, wenn sich schon Familienangehörige im Zielland eines Asylsuchenden aufhalten.