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Dunkerque & Grande-Synthe

Erneut ein Todesfall in Loon-Plage

Im Jungle von Loon-Plage bei Dunkerque starb am 9. August 2022 ein junger Geflüchteter aus dem Südsudan. Wie die Präfektur des Departements Nord und zivilgesellschaftliche Organisationen übereinstimmend berichten, ertrank der 22jährige nach einem versehentlichen Sturz in einen Schifffahrtskanal, der an der Rückseite des Camps vorbeiführt. Eine Sprecherin von Utopia 56 im benachbaten Grande-Synthe erklärte gegenüber der Presse, dass der junge Mann zum Kanal gegangen sei, „um sich zu waschen“. Die von anderen Geflüchteten gerufenen Rettungskräfte hätten nichts mehr für ihn tun können. Über die Identität des Mannes ist bislang nichts Genaueres bekannt geworden.

Das Wasser des Kanals wird zur Körperpflege genutzt, weil in dem Camp, in dem derzeit rund 300 bis 400 Personen leben, grundlegende Infrastrukturen fehlen. Der unabhängige lokale Organisation Roots wies nach dem Todesfall darauf hin, dass es im gesamten Camp kein fließendes Wasser gebe. Es „herrschen schreckliche Bedingungen, es gibt einen grausamen Wassermangel, sehr viele Menschen leiden unter der Hitze und dem Staub“.

Bei einem Besuch im Frühjahr dieses Jahres (siehe hier) konnten auch wir feststellen, dass sich lediglich an der Zufahrt zu dem weitläufigen Areal Wassertanks befanden, die von zivilgesellschaftlichen Helfer_inne betreut wurden und sowohl der Entnahme von Trinkwasser als auch der Körperpflege dienten. Auf der Rückseite des Camps existierten informelle Waschplätze am unteren Ende der Böschung, die zu dem Kanal hinabführt. Der tödliche Sturz dürfte an einer solchen Stelle erfolgt sein. Dies bedeutet, dass der Tod des jungen Mannes unmittelbar mit den Lebensbedingungen in dem Camp und insbesondere mit dem Vorenthalten einer minimalen humanitären Infrastruktur zusammenhängt.

Ein Waschplatz des Jungle von Loon-Plage am vorbeiführenden Kanal, März 2022. (Foto: Th. Müller)

Damien Carême, früher Bürgermeister von Grande-Synthe und heute Abgeordneter im Europaparlament, schrieb nach dem Bekanntwerden des Todesfalls: „Sich an das steile Ufer eines Kanals begeben zu müssen, um sich waschen zu können, und dabei sein Leben zu verlieren: Das ist das Schicksal, das die Abgeordneten von Dunkerque den durchreisenden Exilierten zugedacht haben. Das ist abscheulich. Unwürdig für republikanische Abgeordnete.“

Erst vor wenigen Wochen hatte das Camp für Schlagzeilen gesorgt, als dort bei extremer Hitze ein Wasserbehälter konfisziert und abtransportiert wurde – laut Behörden aus Versehen (siehe hier). Kurz danach wurde bekannt, dass sich ein Bewohner des Camps einige Wochen zuvor das Leben genommen hatte (siehe hier).