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Vier Tote bei erneuter Havarie

[Update, 14. Juli 2024] Erneut ist im Ärmelkanal ein Schlauchboot havariert. Dabei starben nach Angaben der französischen Behörden vier Menschen. Das Unglück ereignete sich in den frühen Morgenstunden des 12. Juli 2024 im Küstengebiet nördlich von Boulogne-sur-Mer, etwa vier Stunden nachdem die etwa 60 Passagier_innen in See gestochen waren.

Nach Angaben lokaler Medien und des Präfekten Jacques Billant hatte das havarierte Boot in der Nacht zum 12. Juli gegen 2 Uhr in der Nähe von Boulogne-sur-Mer abgelegt. Die meisten Passagier_innen seien afrikanischer Herkunft gewesen. Der Präfekt beschrieb das Boot als untermotorisiert, es sei überladen gewesen und habe rasch an Luft verloren. Nur eine Person habe eine Schwimmweste besessen, andere lediglich minderwertige Schwimmhilfen. Unter diesen Bedingungen sei es für sie unmöglich gewesen, bei rauer See zu überleben.

Gegen 4 Uhr sei das Boot in Schwierigkeiten geraten, so das französische Online-Medium InfoMigrants. Zwei in der Nähe befindliche Schiffe, und zwar das von der Regierung gecharterte Rettungsschiff Minck und ein Fischerboot, begannen mit der Bergung der Passagier_innen.

Nach Angaben der Seepäfektur meldete die Besatzung der Minck gegen 4:30 Uhr, dass das Schlauchboot Luft verlor und sich Personen im Wasser befanden. Die zuständige Rettungsleitstelle CROSS Gris-Nez entsandte das Marineschiff Cormoran und das zivile Rettungsschiff Notre Dame du Risban an die Unglückstelle, unterstützt wurden sie durch den Marinehubschrauber Dauphin.

„Der Hubschrauber, der gegen 05:00 Uhr in dem Gebiet eintraf, sollte die Schiffbrüchigen zu lokalisieren helfen, von denen einige im Wasser trieben und andere noch an der Seite ihres havarierten Bootes hingen“, so die Seepräfektur. Außerdem wurde die Umgebung abgesucht. „Eine Stunde später, gegen 06.00 Uhr bei Beginn des Sonnenaufgangs, wurden 14 Personen von dem Fischerboot und 42 weitere von der Minck [von der Cormoran] aufgenommen.“

Währendes Einsatzes entdeckten der Hubschrauber und die Cormoran vier leblose Personen, von denen drei im Wasser trieben und die vierte an Bord das havarierten Schlauchbootes war. Sie wurden von der Cormoran geborgen, ein Ärztteam konnte nur noch ihren Tod feststellen.

Die Überlebenden wurden am Kai von Boulogne-sur-Mer abgesetzt. Medienberichten zufolge wurden mindestens zwanzig von ihnen von der Polizei mitgenommen, um sie als Zeug_innen zu vernehmen und eine mögliche Verwicklung in die Schleusung prüfen. Die in Boulogne tätige unabhängige Hilfsorganisation Osmose 62 berichtet außerdem, dass die Versorgung der Überlebenden im Hafenbereich unzureichend war und ihr eigenes Team fern gehalten wurde. Dies entspricht dem, was die Organisation seit Langem erlebt und auf ihrem Facebook-Kanal fortlaufend dokumentiert.

Die Identität der Opfer wurde bislang nicht mitgeteilt. Bekannt ist nur, dass es sich um erwachsene Männer handelt, die möglicherweise aus Somalia, Eritrea oder Äthiopien kamen.

Mit den vier Opfern der jüngsten Havarie erhöht sich die Zahl der seit Jahresbeginn dokumentierten Todesfälle im kontinentaleuropäisch-britischen Grenzraum nach unserer Zählung auf 24. Die Zahl beinhaltet Todesfälle auf See, bei Ablegemanövern und an Land. Hinzu kommen mindestens drei nach Havarien verschollene und höchst wahrscheinlich gestorbene Personen. Die im Spätsommer 2023 begonnene Häufung von Todesfällen hält damit weiter an. Wie immer, wenn ein Todesfall bekannt wird, fand im Parc Richelieu in der Calaiser Innenstadt ein ehrendes Gedenken statt, das zugleich die tödlichen Folgen der Grenzpolitik anklagte.

Am Tag der Havarie erreichte ein weiteres Schlauchboot mit 44 Passagier_innen britisches Hoheitsgebiet. Am Vortag hatte ein Boot mit 62 Passagier_innen die Seegrenze überquert, einen Tag nach der Havarie zwei Boote mit 127 Menschen an Bord. Seit Jahresbeginn passierten nach britischer Zählung 14.291 Menschen den Ärmelkanal in überladenen Schlauchbooten, die insgesamt nicht für dieses extrem gefährliche Seegebiet geeignet und ausgestattet sind.