[Mit einem Update] Erneut starb bei einer gescheiterten Bootspassage nach Großbritannien ein Kind. Nach Angaben der Behörden wurde es leblos aus dem Meer geborgen, nachdem ein Schlauchboot am Abend des 17. Oktober 2024 im Küstengebiet vor Wissant in Schwierigkeiten geraten war. Es ist der dritte tödliche Zwischenfall in diesem Monat, nachdem Anfang Oktober bereits vier Exilierte ihr Leben verloren hatten.
„Hier flog gestern Abend bis in die Nacht hinein ein Flugzeug immer wieder an der Küste entlang. Auch ist blaues Scheinwerferlicht vom Strand her zu sehen gewesen. Im Moment scheint es hier viele Übersetzungsversuche zu geben, weil das Meer sehr ruhig ist.“ Mit diesen Worten schilderte ein Augenzeuge gegenüber unserem Blog seine Eindrücke in Wissant am Abend des 17. Oktober.
Nach Angaben der Seepräfektur (Préfecture maritime Manche et mer du Nord, kurz: Premar) wurde die Rettungsleitstelle CROSS Gris-Nez am Abend über die Abfahrt eines Schlauchbootes bei Wissant informiert. Die Leitstelle mobilisierte daraufhin vier Schiffe und einen Hubschrauber zur Sondierung der Lage.
Die Rettungskräfte fanden ein stark überladenes Boot vor, das sich in Schwierigkeiten befand; ein Teil der Passagier_innen war bereits im Wasser. Eines der eingesetzten Schiffe, die Abeille Normandie, nahm 65 Menschen an Bord, während das Meer gleichzeitig nach Schiffbrüchigen abgesucht wurde. „Während dieser Suche lokalisiert und birgt die Minck [eines der Rettungsschiffe, d.Red.] einen bewusstlosen Säugling, der an Bord der Abeille Normandie gebracht wird“, so Premar. Dort konnte das medizinische Personal nur noch den Tod des Kindes feststellen.
Die Überlebenden und der Leichnam wurden im Boulogne-sur-Mer an Land gebracht. Die dortige Staatsanwaltschaft leitete, wie in solchen Fällen üblich, Ermittlungen ein. Die Überlebenden wurden der Grenzpolizei übergeben, so Premar.
Über die Identität des Kindes machten die Behörden keine weiteren Angaben. Nach unserer Zährung ist es bereits der 58. dokumentierte Todesfall im kontinentaleuropäisch-britischen Migrationsraum seit Jahresbeginn. Über 50 dieser Menschen starben bei Bootspassagen und Ablegemanövern an der Küste und auf Wasserstraßen im Hinterland; weitere sind auf See verschollen. Mehrere Opfer waren Kinder, erst am 5. Oktober verlor ein Kind im Alter von zwei Jahren das Leben (siehe hier).
„Während die französischen und europäischen Regierungen immer mehr autoritäre Ankündigungen zur Migration machen, zeigen sich die Auswirkungen der Repression noch immer in all ihrem Schrecken. Unsere Gedanken sind bei der Familie“, schrieb die Calaiser NGO L’Auberge de migrants in einer ersten Reaktion.
Update, 22. Oktober 2024:
Das verstorbene Kind, Maryam, war erst 40 Tage alt. Es gehörte zu einer Familie aus dem kurdischen Teil des Irak. Die Eltern und ihre drei Kinder befanden sich an Bord des Boots, das nicht lange nach dem Ablegen voll Wasser lief. Maryams Vater schilderte der britischen Sender Sky News, er habe vergeblich versucht, das Boot zum Umkehren zu bewegen. Als das Boot schließlich havarierte, sei ein Gedränge entstanden: Menschen fielen übereinander, das Kind fiel ins Wasser, der Vater konnte es retten, aber die chaotische Situation wiederholte sich mehrmals und beim dritten Mal konnte der Vater seine Tochter nicht mehr aus dem Wasser zurückholen. (Quelle: InfoMigrants).
Wie stets nach Todesfällen von Exilierten, fand in Calais am 19. Oktober ein solidarisches Gedenken statt.