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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

Über 135 Räumungen während der Pandemie

Die Initiative Human Rights Obervers hat nun ihren Bericht über die Menschenrechtssituation in Calais und Grande-Synthe im Monat April 2020 veröffentlicht. Der Bericht bestätigt, dass der Beginn der Pandemie und der Schutzmaßnahmen (confinement) nicht zu einem Rückgang der nach wie vor stattfindenden Räumungen der Camps geführt hat. So registrierte die Gruppe in Calais 135 Räumungen vom Beginn des Confinement am 17. März bis zum Ende des Berichtszeitraums am 30. April. Davon entfielen 90 Räumungen auf den Monat April.

HRO-Monatsberichte
für Calais
Jan Feb Mrz Apr
Räumung, Vertreibung 100 107 90 90
Festnahmen 47 37 19 6
Beschlagnahmungen von:
Zelten 97 109 43 24
Schlafsäcken, Decken 53 92 34 1
Rucksäcke, Koffer 20 16 8 2
Kleidung 13 13 7
Matratzen 8
Holz (x Male) 38 15 12
Küchenutensilien 5 1

Die seit Jahresbeginn erstellten Monatsberichte (siehe hier) lassen erkennen, dass die Räumungen in Calais während der Corona-Krise praktisch in unveränderter Häufigkeit weiter stattfanden, zumal die Initiative darauf hinweist, dass sie während dieser Zeit vermutlich nicht alle Situationen dokumentieren konnte.

Diese Einschränkung gilt auch für die erfassten Fälle von Festnahmen und Schikanen wie die Wegnahme oder Beschädigung von Zelten, Schlafsäcken und anderem persönlichem Besitz. Diese scheinen im April seltener vorgekommen zu sein – vorausgesetzt, dass sie nicht einfach nur aus dem Blickfeld der Initiative verschwunden sind. Zweimal wurde diese im April daran gehindert, Situationen zu filmen, siebenmal gab es Einschüchterungsversuche und zweimal wurde sie aus dem Operationsgebiet der Polizei verwiesen. Die Gesamtzahl der informell in Calais lebenden Migrant_innen lag nach ihrer Schätzung im April bei etwas über 1100 Personen, darunter mindestens 98 unbegleitete Minderjährige.

In Grande-Synthe registierten die Human Rights Observers einen zahlenmäßigen Rückgang von Räumungen und anderen Formen polizeilicher Gewalt gegenüber den Vormonaten:

HRO-Monatsberichte
für Grande-Synthe
Jan Feb Mrz Apr
Räumung, Vertreibung 10 9 9 3
Beschlagnahmungen von:
Zelten 37 27 10 8
(530)
Schlafsäcken, Decken 53 92 34 8
Rucksäcke, Koffer 20 16 8 2

Gerade diese Zahlen haben für sich genommen jedoch nur eine bedingte Aussagekraft, und es wäre falsch, aus ihrem quantitativen Rückgang auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage in Grande-Synthe schließen zu wollen. Denn zum einen unterscheidet sich das polizeiliche Vorgehen dort seit Langem von demjenigen in Calais, etwa was die Häufigkeit und taktische Funktion der Räumungen betrifft. Anders als in Calais setzte in Grande-Synthe Mitte April eine zwangsweise Verbringung in Zentren ein, die im Rahmen des Confinements kurzfristig eingerichtet worden waren. Den Auftakt dazu bildete eine gut dokumentierte Räumung des Camps La Liniére (siehe hier). Die Human Rights Observers weisen in ihrem Bericht daher darauf hin, dass die Betroffenen ihre persönlichen Gegenstände nicht hätten mitnehmen können. „Zelte wurden zerrissen, Decken und Lebensmittel in Abfallbehälter geworfen.“ Nach Angaben der örtlichen Initiative Roots seien dabei etwa 530 Zelte beschlagnahmt bzw. zerstört worden.