Nachdem im August die ersten Abschiebeflüge von Geflüchteten stattfanden (siehe hier), die den Ärmelkanal in Booten passiert hatten, plant das britische Innenministerium nun „mindestens 1.000“ weitere Abschiebungen nach Frankreich, Deutschland und Spanien. Grundlage der bereits durchgeführten und noch geplanten Maßnahmen ist die Dublin-III-Verordnung der EU. Während der Brexit-Übergangsphase bis Jahresende kann Großbritannien diesen rechtlichen Hebel noch zur Abschiebung von Channel migrants nutzen, später voraussichtlich nicht mehr. Die geplanten 1.000 Abschiebungen können also nur in einem begrenzten Zeitfenster stattfinden und dürften, wie die detailliert dokumentierten Flüge im August befürchten lassen, meist gewaltsam vonstatten gehen.
Die Information über die geplanten Abschiebungen stammt von britischen Medien. „At least 1.000 people are set to be removed from the country and sent to France, Italy and Germany“, schrieb die Zeitung The Evening Standard unter Berufung auf das Home Office, also das britische Innenministerium. Einem Bericht des Daily Telegraph vom 18. September zufolge plant das Ministerium „more flights in the coming weeks and months“; außerdem werde versucht, die Personenzahl pro Abscheibeflug zu erhöhen (vgl. zusammenfassend InfoMigrants, 21.9.2020).
Nach den ersten Flügen dieser massiven Abschiebekampagne, die am 12. und 26. August u.a. zum Düsseldorfer Flughafen durchgeführt wurden, hat laut BBC am 17. September ein weiterer Flug stattgefunden. Dabei seien zehn Personen nach Deutschland und vier Personen nach Frankreich abgeschoben worden. Die Betroffenen hätten aus Afghanistan, Irak, Iran, Kuwait und Jemen gestammt. Ein weiterer Flug nach Spanien sei durch anwaltliche Intervention in letzter Minute gestoppt worden.
Die Abschiebungen werden von der britischen Regierung als Mittel dargestellt, um die Kanalroute für Migrant_innen zu schließen, indem die bislang hohen Erfolgsaussichten (siehe hier) gewissermaßen im Nachhinein zunichte gemacht werden. Die Dynamik der Channel crossings nimmt unterdessen weiter zu. In der ersten Septemberhälfte erreichten dem oben erwähnten BBC-Bericht zufolge 1.487 Bootsflüchtlinge Großbritannien. Dies waren ungefähr so viele wie im gesamten August (1.468 Personen), der bisher der am stärksten frequentierte Monat war. Die Gesamtzahl der Channel migrants seit Jahresbeginn liegt nun über 6.500.