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Calais Dunkerque & Grande-Synthe

“Man möchte Geflüchteten zeigen, dass Europa kein Ort ist, um sich niederzulassen”

Jonathan Becker verbrachte den Sommer als Freiwilliger in Calais und Dunkerque. Sein Rückblick liest sich wie eine Chronik dieses Jahres mit all seinen Zuspitzungen. Ein Interview.

Wie lange warst Du vor Ort, und was hast Du dort genau gemacht?

Ich war für etwa zweieinhalb Monate (Mitte Juli bis Ende September) in Calais/Dunkerque. Als Freiwilliger arbeitete ich dort mit der britischen Flüchtlingsorganisation Care4Calais. In Nordfrankreich, in den Regionen um Calais und Dünkirchen, unterstützt Care4Calais die Flüchtlinge, die in den dortigen unautorisierten Camps und auf der Straße leben. Jeden Nachmittag wird eine Ausgabestelle angefahren, wo unter anderem Heißgetränke, Haareschneiden und Spiele zur Verfügung gestellt werden sowie jeweils eine Sorte Kleidung, Schlafsäcke/Decken oder Pakete mit Essen an die Menschen verteilt werden. Kleidungsstücke, Schlafsäcke, Decken und Zelte sind oft Second-hand- Spenden aus dem Vereinigten Königreich, aber auch aus anderen europäischen Ländern. Lebensmittel und Materialien, wie Kartons zum Lagern, Scheren zum Haareschneiden, aber auch Prepaid-Karten für Handys, werden durch Spenden von Privatpersonen finanziert. Getragen wird die Operation hauptsächlich von freiwilligen Helfer*innen aus Großbritannien, Irland, Deutschland, Frankreich, Spanien und weiteren Ländern sowie zwei bis drei festangestellten Manager*innen und Teamleiter*innen. Einmal in der Woche unterstützt C4C ebenfalls zwei Partnerorganisationen bei einer Ausgabe in Brüssel und einmal im Monat in Paris. Meine konkreten Aufgaben beliefen sich im ersten Monat auf die ganz normalen eines Freiwilligen: Spenden sortieren und lagern, die nachmittäglichen Ausgaben vorbereiten und Dienste am Nachmittag übernehmen. Die restliche Zeit übernahm ich auch administrative Aufgaben, die die Planung des Lagerhauses und der Ausgaben betrafen, da einige Hauptangestellte wegfielen.

Wie würdest Du allgemein die Situation der Geflüchteten beschreiben, so wie Du sie dort antrafst?

Die Situation der Geflüchteten vor Ort ist furchtbar und schwer zu fassen. Männer, Frauen und Kinder, die bereits Jahre der Flucht hinter sich haben, müssen auf der Straße und Parkplätzen und in kleinen Wäldchen leben. Ein Zelt ist bereits ein Luxus, den nur wenige haben, da die Polizei diese konfisziert. Viele der Menschen kommen zudem aus anderen europäischen Ländern, in denen sie bereits mehrere Jahre einigermaßen normal leben konnten, die sie aber aus diversen Gründen wieder zu verlassen hatten. Es ist erschreckend, dass Menschen in Frankreich, einem Land das Deutschland so ähnlich und nahe ist, in solchen Verhältnissen leben müssen. Auch die Polizeipräsenz und das Vorgehen der Beamt*innen vor Ort sind erschreckend und schwer zu ertragen. Hinzu kommen immer neue Gesetzmäßigkeiten, die das Leben der Geflüchteten noch schlimmer machen.

Wenn Du den Fokus jeweils genauer auf Calais und Dunkerque richtest: Was fällt dann jeweils ins Auge? Worin unterscheiden sich deiner Erfahrung nach die Situationen dort?

In Calais ist die Situation im Moment besonders extrem. Etwa 1000 Flüchtlinge leben dort unter furchtbaren Bedingungen. Razzien der Compagnies Républicaines de Sécurité (kurz: CRS; eine Spezialeinheit der französischen Polizei) und der Gendarmerie finden nun täglich statt. Diese werden ohne Vorwarnung und Aufforderung, den Bereich im Voraus zu räumen, durchgeführt. Dies ist illegal. Es führt dazu, dass die Flüchtlinge in ständiger Angst leben und sich nie wirklich zu Hause fühlen können. Denn Razzien bedeuten in diesem Fall, dass jeder, der sich auf dem zu räumenden Gebiet befindet, in Busse verfrachtet wird, welche Orte in ganz Frankreich anfahren. Dort werden die Menschen irgendwo an der Straße ausgesetzt und machen sich dann, meist zu Fuß, auf den Weg zurück nach Calais. Der Rückweg kann in einigen Fällen bis zu vier Tage dauern. Zudem wird alles konfisziert und zerstört, was nicht direkt am Körper getragen wird. Dies bedeutet, dass täglich Menschen ihre komplette Lebensgrundlage verlieren und sie ohne Schutz vor Wetter und Kälte zurückgelassen werden. Bei den Razzien setzt die Polizei Schlagstöcke, Gummigeschosse und Tränengas gegen die wehrlosen, friedlichen und teilweise auch minderjährigen Flüchtlinge ein. Die Versorgung der Menschen wird fast ausschließlich von Nichtregierungsorganisationen getragen. Regierungsorganisationen wie La Vie Active, die ebenfalls vor Ort sind, fallen durch Unverlässlichkeit und Fehlverhalten auf. Dies schikaniert die geflüchteten Menschen. Sie lassen Menschen hungernd und durstend zurück.

Die Situation in Dünkirchen ist ähnlich. Einzig drei Dinge unterscheiden sich grundlegend von Calais. Zum einen gibt es viel mehr Familien und damit auch Kinder als in Calais. Es sind etwa genauso viele Frauen und Kinder dort wie Männer. Gerade für Kinder ist diese Erfahrung, die sie dort machen, traumatisierend und wird sicherlich ihr ganzes Leben prägen.

Die Menschen, die in Calais ausharren, kommen aus unterschiedlichen Ländern und gehören unterschiedlichen ethnischen Gruppen an. Die meisten kommen aus dem Sudan, Afghanistan, Äthiopien und Eritrea, wohingegen die meisten Flüchtlinge in Dünkirchen einer ethnischen Gruppe angehören. Sie sind Kurd*innen und kommen aus dem Iran und Irak, andere aus Afghanistan. Die ethnische Zusammengehörigkeit wirkt sich positiv auf das soziale Zusammenleben aus. Die Gruppe der Menschen in Dünkirchen wirkt mehr wie eine Gemeinschaft, eine große Familie. Hilfreich ist dort sicherlich auch die gemeinsame Sprache.

Der letzte große Unterschied ist, dass die Räumungen in Dünkirchen schon vor längerer Zeit zugenommen haben und viel weiter fortgeschritten sind. In Dünkirchen halten sich die meisten Menschen in einem Naturpark rund um einen See auf. Nach erfolgreicher Räumung eines Bereiches dort wird dieser vollständig entwaldet und mit Bulldozern eingeebnet. Somit wird den Menschen jeglicher Schutz und Rückzugsort genommen. In Calais werden die geräumten Camps oft aufwendig umzäunt.

Du kamst im Sommer dort an, nach dem Ende des ersten Lockdown, und hast dann in den nächsten Wochen und Monaten erlebt, wie die zweite Corona-Welle anrollte und Pas-de-Calais zur roten Zone wurde. Wie präsent war Corona eigentlich in dieser Zeit unter geflüchteten Menschen am Kanal?

Für viele ist das Virus nur ein weiterer Umstand, der das Leben erschwert. Die Präventionsmaßnahmen der Organisationen werden oft belächelt. Doch traf ich auch auf einige, besonders Eltern, die sich sehr um das Virus sorgen und Angst um ihre Kinder haben. Zu einem Lockdown der Camps, wie es auf den griechischen Inseln zu beobachten war und ist, kam es vor Ort in Calais und Dünkirchen natürlich nicht, da es die Camps offiziell nicht gibt. Im Gegenteil kam es gerade in letzter Zeit zu vermehrten Räumungen, bei denen Menschen in volle Busse gesetzt werden, die meist mehrere Stunden unterwegs sind und sie an entfernten Orten in Frankreich aussetzten. Dies hörte auch nicht auf, als die Region Pas-de-Calais zur roten Zone erklärt wurde. Erstaunlicherweise gab es in meiner Zeit auch keine bekannten Covid-19-Erkrankungen unter den Flüchtlingen, was ein großes Glück ist.

Was hast Du von den Räumungen mitbekommen?

Ehrlich gesagt wohnte ich nur einer Räumung in Paris direkt bei. Bei den Räumungen in Calais und Dünkirchen waren die Human Rights Observers vor Ort und meist nur ein kleines Team unserer Organisation. Unsere Aufgabe bestand darin, nach den vollendeten Räumungen herauszufinden, wo die Menschen sind. Wie viele von ihnen in Busse gezwungen und wohin sie gebracht werden, und wo sich möglicherweise neue Camps bilden. Dies war und ist sehr wichtig, um die Menschen weiterhin versorgen zu können. Räumungen mitbekommen habe ich während meines Aufenthalts geschätzt um die 25. Diese nahmen über die Wochen exponentiell zu und meine Zeit endete mit einer der größten Räumungswellen, die es je in Calais gegeben hatte.

Bei den Räumungen habe ich zwei Arten kennengelernt. Zum einen diese, die mit einer Ankündigung oder in regelmäßigen Abständen stattfinden, und nicht früher als neun Uhr morgens. Bei diesen ist der normale Ablauf, dass alle Bewohner*innen des Gebiets ihre Sachen zusammenpacken und ihre Zelte von dem zu räumenden Platz entfernen. Die Polizei nimmt dann alles Zurückgelassene mit oder macht es einfach nur unbrauchbar.

Die zweite Art von Räumung sind die unangekündigten, die oft bereits in den frühen Morgenstunden vonstatten gehen. Bei diesen müssen die Bewohner*innen schnell handeln und können meist nur einen Rucksack mitnehmen. Wer nicht schnell genug flieht oder sich nicht gut verstecken kann, wird in Busse gezwungen, die die Geflüchteten an Orte überall in Frankreich bringen. Das Zurückgelassene wird ebenfalls konfisziert oder unbrauchbar gemacht. Die geräumten Gebiete werden in einigen Fällen auch nach der Räumung noch weiter bewacht, gerodet oder umzäunt, um Menschen vollends davon abzuhalten wiederzukehren.

In Paris laufen die Räumungen noch einmal ganz anders ab. Anstelle der Gummigeschosse, Schlagstöcke und Pfefferstprays, wie sie „glücklicherweise“ in Calais und Dünkirchen üblich sind, haben die Beamt*innen vor Ort Maschinengewehre, die während der Räumungen auch direkt auf Geflüchtete und auf Freiwillige gehalten werden. Bei der Räumung in Paris, der ich beiwohnte, ging es darum, dass Menschen nur einige Meter weiterziehen mussten, da der Park, in dem sie campierten, direkt auf der Stadtgrenze lag. Erst später, früh am nächsten Morgen, wurde das komplette Camp geräumt.

Die Menschen reagieren sehr unterschiedlich. Für viele gehört es auf eine schreckliche Art und Weise zum Alltag dazu, sie sind daran gewohnt, Zelte zu bewegen, ihr Hab und Gut zu schultern, sich zu verstecken und auch tausende Kilometer auf dem Weg zurück nach Calais oder Dünkirchen zurückzulegen. Die Reaktionen hängen am meisten davon ab, wie schlimm und vollends eine Räumung war und womit die Menschen zurückgelassen werden.

Diese große Diskrepanz bekam ich vor allem nach dem 29. September zu spüren. Dieser Tag war der Beginn der bereits erwähnten Räumungswelle in Calais. Die zwei größten Niederlassungen in Calais am Krankenhaus und im Osten der Stadt wurden komplett geräumt und jede*r, der*die nicht bereits vor 5:00 Uhr morgens die Gebiete verlassen hatte oder sich nicht gut genug verstecke, wurde in Bussen abtransportiert.

Die Stimmung unter den Menschen in den darauffolgenden Tagen, in denen es erneuten zu Räumungen kam, war sehr unterschiedlich: Die Menschen, die vorher im Osten der Stadt campierten, kehrten sehr hungrig am Abend desselben Tages zurück, waren aber generell sehr heiter und froh, wieder in Calais angekommen zu sein. Zudem campierten sie ohne größere Umstände wieder am selben Ort wie davor. Die Stimmung am Krankenhaus in den kommenden Tagen war eine vollkommen andere. Einige weinten, alle wirkten sehr bestürzt, vielen wurde alles genommen, was sie besaßen. Ebenfalls war kein permanentes Zurückkehren mehr möglich. Die Polizei bewachte das Gebiet rund um die Uhr und hielt jede*n auf, der*die sich dort wieder ansiedeln wollte. Für die meisten war dieser Ort ihr zu Hause der letzten Wochen, Monate, aber auch Jahre.

Am Ende Deiner Zeit gab es also die größte Räumungswelle der letzten vier Jahre. Wie hast Du die erlebt? Was konntest Du davon beobachten?

Ich und die anderen Freiwilligen waren wie betäubt, obwohl es doch irgendwie abzusehen war. Als ich Ende Juli in Calais ankam, wurden durch gezielte Räumungen im Industriegebiet fast alle Menschen auf dem Gelände nahe des Krankenhauses konzentriert. Trotzdem war das Ausmaß der Räumungen und die schiere Masse an Polizist*innen unglaublich. Nach den Räumungen am Morgen des 29. September verbrachten wir den Nachmittag damit, diejenigen zu suchen, die der Polizei entflohen waren, und herauszufinden, wo diejenigen hingebracht wurden, die in Busse gezwungen wurden. Bei unseren Suchfahrten rund um Calais fanden wir auch eher zufälligerweise das Nachtquatier der Polizeibeamt*innen, die extra für den Zweck der Räumungen aus ganz Frankreich angereist waren. Auf dem Parkplatz eines ibis-Hotels im Westen der Stadt, nahe des Eurotunnels, fanden wir über 60 Fahrzeuge der Spezialeinheit CRS vor, darunter LKWs, Mannschaftswagen, Überwachungsfahrzeuge und PKWs. Bei einer weiteren Tour am Abend fuhren wir erneut an dem Hotel vorbei und die Fahrzeuge waren nach wie vor da. Daraus schlossen wir, dass die Räumungen die nächsten Tage über fortgesetzt werden würden, was auch zutraf. Das war besonders schwer zu begreifen, dass das Leid und die Ungerechtigkeit, die dieser Tag hervorbrachte, erst einmal kein Ende haben wird.

Wie würdest Du die jüngsten Räumungen einordnen – vor dem Hintergrund dessen, was in Calais/ Dunkerque seit Jahren geschieht?

Offensichtlich zieht Frankreich ja auch nochmal die Repressionsschrauben an. Ehrlich gesagt, fällt es mir sehr schwer, hinter den Räumungen einen plausiblen Grund oder eine Strategie zu sehen. Zum einen könnte man das Ganze als Mission deuten, die darauf abzielt, die Menschen noch vor dem vollständigen Brexit zur Überfahrt zu drängen, ihnen das Leben so schwer zu machen, dass sie einfach nur gehen wollen. Dagegen spricht natürlich die finanzielle Unterstützung, die Frankreich für die Küstenwache von der britische Regierung erhält, sowie die Deportationen der Geflüchteten in andere Gebiete Frankreichs.

Zum anderen könnte es auch einfach als Versuch gedeutet werden, die Region um Calais und Dünkirchen von Flüchtlingen zu leeren und diese in anderen Teilen Frankreichs anzusiedeln. Dagegen spricht allerdings, dass der allgemeinbekannte Konsens ist, dass diese Menschen, die am Kanal ausharren, nicht im Geringsten den Wunsch haben, in Frankreich Asyl zu beantragen. Den meisten ist bewusst, dass ihre Chancen auf Asyl in Frankreich sehr schlecht stehen.

Und meine letzte Deutung – und für mich die plausibelste – ist, dass man den Geflüchteten vor Ort zeigen möchte, dass Europa kein Ort ist, um sich niederzulassen, dass es in Europa nicht sicher ist und das eigene Herkunftsland besser ist. Und ich habe auch einige kennengelernt, ausschließlich Iraker, die wieder in den Irak zurück wollten, da sie es vor Ort nicht mehr aushielten.

Wieviel hast Du von den boat crossings mitbekommen? Du warst ja genau in dem Sommer vor Ort, in dem jeden Monat mehr Menschen herüberkamen.

Ich habe in meiner Zeit viele Menschen kennengelernt, die den Kanal erfolgreich überquert haben, aber auch viele, die mehrmals gescheitert sind. Manchmal erfuhr ich davon, weil jemand aus meiner Umgebung einen direkten Kontakt zu ihnen hatte, und manchmal durch ihre plötzliche, andauernde Abwesenheit, nachdem mir Menschen davon erzählten, es zu versuchen. Drei Erfahrungen mit boat crossings (zwei erfolgreiche), die ich miterlebte, sind mir besonders eindrücklich im Gedächtnis geblieben.

In Dünkirchen dolmetschte ein elfjähriger kurdischer Junge im ersten Monat für mich, er sprach flüssig Deutsch und auch sehr gutes Französisch und half dabei, Kurdisch für mich zu übersetzten und andersherum. Eines Tages, nachdem wir eine Runde Fußball spielten, erzählte er mir, dass er und seine Familie am nächsten Tag nach England fahren würden. Drei Tage später, als wir wieder in Dünkirchen waren, traf ich ihn erneut, sie hatten es wohl nicht geschafft. Etwa eine Woche später erzählte er mir erneut, dass sie es versuchen würden, und ich habe ihn und seine Familie seitdem nicht wiedergesehen.

In Dünkirchen lernte ich eine schwangere Frau kennen, die mit ihrem Mann zusammen aus Afghanistan geflohen war. Auch sie war irgendwann verschwunden, bis wir einige Tage später einen britischen Zeitungartikel fanden, in dem von den Überfahrten berichtet wurde, und auf einem der Fotos entdeckten wir sie in einem Boot. Sie hatten es geschafft.

Ein sehr freundlicher Mann, der in Afghanistan als Schneider für Kinderklamotten arbeitete, mit dem ich immer sprach, wenn ich ihn sah, erzählte mir, dass er es in den nächsten Tagen versuchen würde. Er lebte am Krankenhaus in Calais. Einige Tage später trafen wir ihn in Dünkirchen wieder. Er war komplett durchnässt. Sein Boot wurde von der französischen Küstenwache abgefangen und sie brachten ihn und die anderen zurück nach Dünkirchen.

Weißt Du von Menschen, die es auf eigene Faust probierten, also ohne Agent/ Schleuser?

Ja, ich habe einen Bekannten aus Eritrea, der gemeinsam mit einigen Freunden versucht hat, in LKWs den Kanal zu überqueren. Sie haben einen Parkplatz etwa vierzig Kilometer entfernt von Calais ausgemacht, auf dem LKWs parken, die per Fähre oder Zug nach Großbritannien übersetzen. Sie haben insgesamt vier Tage versucht, sich im Laderaum von LKWs zu verstecken, wurden allerdings jedes Mal erwischt und sind dann nach Calais zurückgekehrt. Und natürlich Abdulfatah Hamdallah, den ich nicht persönlich kennengelernt habe. Dieser versuchte laut Medienberichten, mit einem weiteren Freund den Kanal in einem Kajak zu überqueren. Das Boot kenterte, sein Freund wurde von der Küstenwache gerettet und er ertrank und wurde an einen Strand nahe Calais angespült.

War eigentlich unter Euch als Volunteers Brexit ein Thema? Welche Erwartungen gibt es bezüglich der Lage?

In UK scheint man ja bereits immer härtere Geschütze zumindest in Erwägung zu ziehen. Da ich in einer britischen Organisation arbeitete und dementsprechend der Großteil der Freiwilligen aus Großbritannien stammte, war der Brexit ein immerwährendes Thema. Damit verbunden: viel Frustration, Wut und Unzufriedenheit mit der britischen Politik. Auch ist die Angst sehr groß, dass das Home Office einige seiner verrückten und menschenverachtenden Pläne umsetzten könnte, wenn die EU erfolgreich verlassen wurde und man aus dem Dubliner Abkommen ausgetreten ist. Auch die Flüchtlinge machen sich große Sorgen und versuchen, noch vor dem Eintreten des Brexits den Kanal zu überqueren.