Nach der Rücktrittsankündigung von Boris Johnson als britischer Premierminister loten mehrere führende britische Verteidigungspolitiker das Ende des Einsatzes der Royal Navy zur Verhinderung von Kanalpassagen in kleinen Booten aus. Laut einem Beitrag des Guardian vom 9. Juli sind sie angesichts wachsender globaler Sicherheitsbedrohungen frustriert darüber, Ressourcen für einen Plan aufzuwenden, der aus ihrer Sicht bereits gescheitert ist: seit der Übernahme der Führung durch die Marine Mitte April, seien doppelt so viele Überfahrten registriert worden wie in den drei Monaten davor.
Der konservative Politiker Tobias Ellwood, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, sieht die politischen Chancen für ein Ende des Marineeinsatzes im Kanal gestiegen: “Ich weiß, der Verteidigungsminister will wirklich davon abrücken, will das dies beendet wird. Und nun wird es weniger politischen Druck geben. Der Premierminister geht.” Ob mit einem Regierungswechsel die hohe Priorität einer – und sei es symbolischen – Politik gegen die Kanalüberfahrten ein Ende findet, ist jedoch fraglich. Die Chefjustiziarin der bisherigen Regierung, Suella Bravermann, die sich als erste für eine Nachfolgerin Johnsons ins Spiel gebracht hat, hatte angesichts des gerichtlichen Stopps des ersten Abschiebeflugs im Rahmen des Rwanda-Deals, bereits für einen Ausstieg Großbritanniens aus dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (d.h. aus der Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarates) votiert.
Inwieweit der Einsatz der Marine im Rahmen der Operation Isotrope überhaupt auf die Verhinderung von Überfahrten oder eher auf die vollständige Erfassung der per Boot Ankommenden zielt, ist ebenfalls offen. Letzteres ist sowohl relevant für die nach wie vor im Raum stehende Drohung, sie nach Ruanda zu verbringen – die endgültige Entscheidung liegt nach dem einstweiligen Stopp des EuGHMR in den Händen britischer Gerichte -, als auch für die im jüngst verabschiedeten Nationality and Borders Act angedrohten langjährigen Haftstrafen für Steuerleute der kleinen Boote – auch wenn es zur Verhängung der medienwirksam angekündigten lebenslangen Haftstrafen in der Praxis nicht kommen dürfte.