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Channel crossings & UK Dunkerque & Grande-Synthe

Strafprozess wegen tödlicher Havarie im Herbst 2021

In den ersten Novembertagen des Jahres 2021 starben an der nordfranzösischen Küste mehrere Exilierte (siehe hier). Ihre Todesfälle ereigneten sich unabhängig voneinander teils auf See, teils an Land. In Dunkerque wurde einer dieser Fälle nun vor Gericht verhandelt. Angeklagt war ein kurdischer Mann aus dem Iran, dem fahrlässige Tötung, Beihilfe zur Überfahrt und Gefährdung anderer Personen vorgeworfen wurde. Der Prozess endete mit einem Schuldspruch, zeigte jedoch auch, dass der Angeklagte nicht zu den Profiteuren der gescheiterten Grenzpassage gehörte.

Die Zeitung La Voix du Nord schildert ihn als „ein kleines Licht in einem kurdischen Schleuserring, der an der Küste tätig ist“. Er sei Architekt gewesen und habe sein Land „wegen seiner Religion“ verlassen müssen. „Seine Familie lebt noch dort.“ Offenbar um seine eigene Überfahrt zu finanzieren, sei er für die besagte Schleuserorganisation als Anwerber tätig gewesen.

In der Nacht des 2./3. November stachen zwei Schlauchboote bei Dunkerque in See. „An Bord jedes Bootes befanden sich etwa 40 Migranten: Männer, Frauen und acht Kinder, darunter ein Baby, die versuchten, den Ärmelkanal zu überqueren, um nach England zu gelangen.“ Vor der Küste von Loon-Plage havarierte eines der überladenen Boote, als der instabile Boden unter dem Gewicht der Menschen nachgab. Manche hätten sich noch an den Seiten des Bootes festhalten können und andere seien im Wasser getrieben, als sie vom Schiff einer Organisation zur Instandhaltung der maritimen Navigationsanlagen gerettet wurden. Nur ein Teil der Passagier_innen habe Schwimmwesten getragen. Ein Mann aus dem Iran ertrank. Offenber befand sich auch der Angeklagte unter den Havarierten und bemühte sich, wie er vor Gericht aussagte, um die Rettung zweier Kinder.

Nach der Havarie seien die Geretteten von der Police aux frontières (Grenzpolizei) verhört worden. Dabei sei der Angeklagte beschuldigt worden, an der Organisation der Überfahrt beteiligt gewesen zu sein. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, einer Geldstrafe von 2.000 € und verhängte ein Einreiseverbot nach Frankreich.

Die Havarie ereignete sich wenige Wochen vor der bislang schwersten, bei der am 21. November 2021, zählt man die auf hoher See Vermissten hinzu, 31 Menschen ertranken. Das Problem instabiler Boote, deren Boden unter dem Gewicht der Passagier_innen leicht nachgibt, hat seither noch zugenommen. Getrieben wird die Entwicklung nicht zuletzt von einer Grenz- und Migrationspolitik, die eine sichere Überfahrt nach Großbritannien ausschließt und dadurch einen unregulierten und hochprofitablen Markt entstehen lässt.