Die europäische Grenzschutzagentur Frontex ist seit Ende 2021 an der französischen Kanalküste mit einem Flugzeug im Einsatz (siehe hier und hier). Am Rande des Gipfeltreffens des Europarats in Reykjavík einigten sich der britische Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen nun darauf, den Frontexeinsatz durch ein Abkommen zu regeln. Bezogen auf das politische Streitthema der undokumentierten Migration über den Ärmelkanal wäre es die erste Vereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union seit dem Brexit. Angekündigt ist allerdings lediglich eine Vereinbarung auf Arbeitsebene, nicht aber das von der Londoner Regierung seit langem eingeforderte Vertragswerk zur umfassenden Bekämpfung der Bootspassagen.
Über das geplante Abkommen ist bislang nur bekannt, was die britische Regierung am heutigen 17. Mai 2023 in einer Presseerklärung mitteilt. Demnach „unterstrichen“ Sunak und von der Leyen, dass beide Seiten „ein gemeinsames Interesse an der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und des Menschenhandels“ hätten: „Sie kamen überein, die Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich im Bereich der Migration durch die Entwicklung einer neuen Arbeitsvereinbarung zwischen britischen Agenturen und Frontex zu verstärken, die es uns ermöglicht, bei kritischen operativen und strategischen Herausforderungen, einschließlich der Situation im Ärmelkanal, zusammenzuarbeiten.“ Teams beider Seiten würden „nun die Einzelheiten und die praktische Umsetzung“ erörtern.
Aus Sunaks Twitter-Account findet sich, mit dramatischer Musik unterlegte, ein Video seiner Rede auf dem Gipfeltreffen. Ganz im Sinne seiner innenpolitischen Kamagne „STOP THE BOATS“ – der Slogan steht im Zentrum des kurzen Films – wirbt er für ein koordiniertes Vorgehen gegen die Bootspassagen im Ärmelkanal und weist dem Europarat eine Schlüsselrolle zu. Allerdings stellten die small boats allenfalls ein Randthema des Gipfeltreffens und der Gespräche mit von der Leyen dar – im Vordergund standen vielmehr die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg sowie wirtschaftliche Fragen.
Die noch auszuhandelnde Arbeitsvereinbarung wird sich nach jetzigem Kenntnisstand also lediglich auf eine Facette des Grenzregimes und der Migrationsbekämpfung beziehen. Gemessen an den Erwartungen der konservativen britischen Regierung wäre dies nicht viel, vielleicht aber ein Schritt hin zu einem weiteren Verhandlungsprozess. Offen bleibt zudem, wie sich die Rolle von Frontex in der Kanalregion verändern wird und ob es zu einer räumlichen oder funktionalen Ausweitung der Frontex-Kapazitäten kommt. Bislang lässt sich lediglich sagen, dass Sunak ein weiteres Forum gefunden hat, um die Kanalgrenze auf die europäische Agenda zu setzen.