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Frontex in Calais: Symbolpolitik statt Seenotrettung?

In der Politik gegenüber den Exilierten in Calais und der Region ist nach dem Ende des Hungerstreiks vor drei Wochen und des Schiffsunglücks mit mindestens 27 Toten vor gut zehn Tagen keinerlei Kurswechsel erkennbar. Der Einsatz des von Frontex bereitgestellten Aufklärungsflugzeugs scheint – bei aller Unsicherheit, die langfristige Strategie aus bisher zwei Einsätzen abzuleiten – vor allem der Symbolpolitik zu dienen.

Screenshot aus ads-b.nl für den Flug vom 3. Dezember 2021.

Bei den Angehörigen herrscht noch Ungewissheit über die Anzahl und die Identität der Opfer der Havarie, und noch ist unklar, ob sich das Unglück in britischen oder französischen Hoheitsgewässern ereignet hat – wobei einiges für ein Unglück in britischen Hoheitsgewässern spricht und sich abzeichnet, dass britische und französische Stellen im Moment des Unglücks mit Verweis auf die Zuständigkeit der jeweils anderen Hilfe verweigert oder verzögert haben. Angesichts des britisch-französischen Streits und der dürftigen Beschlüsse des Ministertreffens, war eine politische Lösung ohnehin nie in Aussicht.

Man konnte allerdings darauf hoffen, dass sich der Charakter der Räumungen verändern würde – dies war eines der mageren Zugeständnisse an die Hungerstreikenden, und dass das verlegte Spezialflugzeug von Frontex zu einer verbesserten Seenotrettung im Kanal beitragen würde. Beide Hoffnungen haben sich binnen weniger Tage zunächst zerschlagen.

Das Frontex-Flugzeug scheint bislang nur für Symbolpolitik eingesetzt zu werden. Es war zuerst am vergangenen Freitag, dem 3. Dezember 2021 zwischen 11:32 GMT und 14:22 GMT im Einsatz und hat die Strandgebiete von Grande-Synthe überflogen.

Am heutigen 6. Dezember hat es seinen zweiten Einsatz geflogen, und war zwischen 7:18 GMT bis 13:17 GMT unterwegs. Es hat dabei einen wesentlich größeren Küstenabschnitt von der Küste vor Brügge in Belgien im Nordosten bis zur Mündungsbucht der Somme im Südwesten überflogen.

Screenshot aus ads-b.nl für den Flug vom 6. Dezember 2021.

Für einen Beitrag zur Seenotrettung war das Flugzeug jedenfalls bei beiden Flügen zur falschen Zeit am falschen Ort. Es hat klar erkennbar nicht das Meer überflogen, und die Passagen finden in der Regel nach Einbruch der Dunkelheit statt. Über das Ziel des geflogenen Einsatzesprofils kann von uns nur spekuliert werden. Ob man sich tatsächlich erhofft, Strukturen der Schleuser_innen oder gar konkrete Passagevorbereitungen aus der Luft aufzuklären, ob es vorbereitende Flüge für künftige Einsätze sind, oder ob es nur darum ging, den Schleuser_innen, den Exilierten oder auch der französischen und belgischen Bevölkerung zu zeigen, dass das Flugzeug da ist – wir wissen es noch nicht.

Tweet von Utopia 56 mit einer Videoaufnahme der C-080. (Quelle: Utopia 56 / Twitter)

Auch der Charakter der Räumungen hat sich offenbar nicht verändert. Für den 29. November dokumentieren Human Rights Observers, dass bei einer Räumung die Zelte der Exilierten beschlagnahmt und zerstört werden.

Tweet der Human Rights Observers, der die Zerstörungen dokumentiert. (Quelle: Human Rights Observers / BFMTV / Twitter)

Der Druck auf die Exilierten, die Region um Calais schnellstmöglich zu verlassen, bleibt also unverändert bestehen – trotz des schlechteren Wetters und der erhöhten Risiken für die Passagen.