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Channel crossings & UK

Dritte tödliche Havarie in einer Woche

Bei der Havarie eines Schlauchbootes starb am 19. Juli 2024 ein weiterer Exilierter. Nach den Havarien am 12. Juli mit vier Todesopfern (siehe hier) und am 17. Juli mit einem Todesopfer (siehe hier) ist es der sechste Grenztote innerhalb einer Woche. Eine solche Häufung tödlicher Ereignisse ist außergewöhnlich und verheißt Schlimmes für die zweite Hälfte des Jahres.

Wie die Seepräfektur (Préfecture maritime de la Manche et de la Mer du Nord, kurz: Prémar) mitteilte, erhielt die französische Leitstelle CROSS Gris-Net in der Nacht zum 19. Juli die Meldung, dass ein Boot mit Exilierten abgelegt habe. Daraufhin sei das Patrouillenboot Cormoran der französischen Marine mobilisiert worden, um die Lage zu erkunden. Als die Passagier_innen eine Rettung durch die französischen Behörden ablehnten, um ihre Fahrt nach Großbritannien fortzusetzen, habe die Besatzung der Cormoran die Situation weiter beobachtet. „Gegen 0:58 Uhr gerät das stark beladene Boot in Schwierigkeiten und die Personen an Bord bitten die PSP Cormoran um Hilfe“, so Prémar.

Bei Beginn des Rettungseinsatzes sei festgestellt worden, dass fünf Personen ins Wasser gefallen waren. Sie wurden geborgen und an Bord der Cormoran gebracht, danach wurden die übrigen Passagier_innen gerettet. Auf dem Schlauchbootes entdeckten die Rettungskräfte dabei eine leblose Person, holten sie an Bord der Cormoran und leiteten die medizinische Versorgung ein. Letztlich konnte nur noch der Tod festgestellt werden. Gerettet wurden laut Prémar 86 Menschen. Sie wurden in den Hafen von Calais gebracht.

Über die Identität des Todesopfers ist bislang nichts bekannt. Ebenso fehlen genauere Angaben zum Abfahrtsort des Bootes und zur Position der Havarie.

„Eine solche Zahl von Todesfällen in weniger als einer Woche in fast allen von der Migrationskrise betroffenen Abschnitten [der Küste] ist beispiellos“, kommentiert La Voix du Nord. Das Calaiser Blatt zitiert Prémar mit der Einschätzung, momentan träfen mehrere Faktoren zusammen: Einerseits „unzuverlässige und gleichzeitig überladene Boote, manchmal ohne Schwimmwesten, und in diesem speziellen Fall mit 86 Personen an Bord.“ Hinzu komme ein neues Phänomen: „Menschen sterben in den überfüllten Booten durch Ersticken oder Niedertrampeln.“

Lokale NGOs äußerten sich angesichts der rasch aufeinander folgenden Todesfälle schockiert. Vertreter_innen von Salam und Utopia 56 in Calais weisen in Pressestatements auf den verstärkten Überwachungsdruck an der Küste hin, der Menschen zu Bootspassagen auch unter riskanten Bedingungen triebe. Die zahlreichen Räumungen von Camps würden den Menschen signalisieren, dass sie in Frankreich nicht willkommen seien. Da in der kommenden Zeit günstige Witterungsbedingungen erwartet werden, sei mit zahlreichen Überfahrten und weiteren Havarien zu rechnen.

Seit Jahresbeginn gelangten nach Angaben der britischen Regierung insgesamt 15.076 Menschen in 297 Schlauchbooten in britische Hoheitsgewässer. Dies sind etwas weniger Personen als im gleichen Zeitraum des Jahres 2022 (15.160), aber mehr als 2023 (13.776). In denselben Zeiträumen stieg die Zahl der Personen pro Boot von knapp 36 in 2022 auf knapp 46 in 2023 und liegt momentan bei knapp 51.

Hinzu kommt, dass sich die meisten Todesfälle in den Vorjahren erst in der zweiten Jahreshälfte ereigneten, wenn erfahrungsgemäß besonders viele Bootspassagen stattfinden und mit dem Beginn der kalten Jahreszeit zusammentreffen. Diese Zeit des Jahres steht noch bevor.