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Calais

Ein rechtsfreier Raum

Details zu Übergriffen vor der Räumung des besetzten Hauses in Calais

Am 2. Juli wurde ein seit 2022 besetztes und durch einen Gerichtsbeschluss bis 2025 legalisiertes Haus in der Calaiser Innenstadt geräumt (siehe hier). Nun machten Aktivist_innen einige Vorkommnisse öffentlich, die schließlich zur Räumung führten, zugleich aber ein weiteres Schlaglicht auf die Situation nach der fatalen Europawahl vom 9. Juni 2024 werfen. Demnach schufen Nachbar_innen, Rechtsextreme, Medien und Behörden rund um das Haus eine Art rechtsfreien Raum. Die Ereignisse wirken wie ein Vorgeschmack auf Zustände, die bei einer Regierungsübernahme durch den Rassembelement National vermutlich gängig geworden wären – in Calais aber nicht wirklich verwundern. Daher lohnt ein Rückblick.

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Calais

Besetztes Haus in Calais geräumt

Seit Februar 2022 beherbergte ein besetzter Altbau in der Innenstadt von Calais obdachlose Migrant_innen, verbunden mit dem Anspruch, einen sozialen Raum jenseits von Nationalität und Status zu eröffnen. Das Projekt war im Oktober 2022 soweit legalisiert worden, dass es voraussichtlich bis 2025 hätte bestehen können (siehe hier, hier und hier). Am 2. Juli 2024 wurde es nun vorzeitig und nach Ansicht von Aktivist_innen rechtswidrig geräumt.

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Calais

Keine Räumung des besetzten Hauses bis 2025

Das Haus in der Rue Frédéric-Sauvage nach der Besetzung, Februar 2022 (Foto: Calais Logement pour Tous.tes)

Am 7. Februar 2022 besetzten Aktivist_innen zwei Gebäude in Calais, um Exilierten eine menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen und einen Raum für gemeinsames solidarisches Handeln zu eröffnen. Nach der Räumung des größeren Gebäudes – eines Hochhauses in einem Außenbezirk der Stadt – blieb das andere bestehen (siehe hier, hier und hier). Nun ist seinen Nutzer_innen ein juristischer Erfolg gelungen, der es ihnen erlaubt, das Projekt für die Dauer von drei Jahren fortzuführen. Allerdings war das Gerichtsverfahren von Festnahmen und Abschiebungen begleitet und kann noch angefochten werden.

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Calais

Abschiebung eines Aktivisten

Es ist nicht neu, dass freiwillige Helfer_innen und politische Aktivist_innen in Calais Schikanen erfahren. Gängig sind etwa Ordnungsgelder bei Verstößen gegen das Verbot, in bestimmten Gebieten der Stadt Lebensmittel und Hilfsgüter zu verteilen, Knöllchen wegen Falschparken und ausgiebiges Überprüfen von Fahrzeugpapieren. Hinzu kommen das rechtswidrige Abfotografieren von Personen und Papieren durch die Polizei, teils mit den privaten Smartphones, und andere Formen verbaler und physischer Machtdemonstration. Deutlich darüber hinaus geht die Inhaftierung des britischen Aktivisten Matthew R., der sich in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Initiativen für die Rechte der Exilierten in Calais einsetzt, zuletzt im Rahmen des Kollektivs Calais Logement Pour Toustes, das im Februar 2022 einen maroden Altbau besetzte und in einen solidarischen Lebensort für Exilierte umwandelte (siehe hier und hier). Matthew wird keine konkrete Straftat vorgeworfen, vielmehr wurde er wegen eines abgelaufenen Aufenthaltstitels inhaftiert, mit einem einjährigen Einreiseverbot nach Frankreich belegt und muss nun unter Hausarrest auf seine Abschiebung nach Großbritannien warten. Eine Erklärung, die er selbst hierzu abgab, dokumentieren wir am Ende dieses Beitrags.

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Calais Solidarität

Zweites besetztes Haus vorläufig geschützt

Das besetzte Haus in der Calaiser Innenstadt. (Foto: Calais Logement pour Tous.tes)

„Gute Nachrichten: Gestern Morgen kam ein Gerichtsvollzieher an dem Haus in der Rue F. Sauvage vorbei, stellte die Personalien der Bewohner_innen fest und nahm die Beweise für die Besetzung mit, die ihm übergeben wurden!“ Mit dieser Mitteilung gab das Kollektiv Calais Logement pour Tous.tes am 19. Februar 2022 einen wichtigen Etappenerfolg seines Vorhabens bekannt, einen offenen Raum für Geflüchtete und Aktivist_innen in Calais zu schaffen. „Wir sind jetzt vor einer Räumung im Morgengrauen mit einem Hubschrauber sicher, und das normale Verfahren wird eingeleitet.“

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Calais Solidarität

Räumung des besetzten Hochhauses

Polizeiaktion im besetzten Hochhaus, 11. Februar 2022. (Quelle: Calais Logement pour Tous.tes / Twitter)

[Updated, 18. Februar] Der am 4. Februar 2022 besetzte Wohnblock an der Rue d’Ajaccio (siehe hier) im Calaiser Stadtteil Fort-Nieulay wurde am heutigen Tag geräumt. Lokalen Medien zufolge hatte das zuständige Gericht in Boulogne-sur-Mer am Vortag einen Räumungstitel unterzeichnet. Am frühen Morgen räumte die Polizei, darunter CRS und die Spezialeinheit RAID der Police nationale, dann das Gebäude: Ein Video zeigt, wie sich vier RAID-Polizisten von einem Hubschrauber auf das Flachdach des Hauses abseilen und von dort aus Explosivkörper im Inneren des Gebäudes zünden. Kurz darauf kommt es zu einem CS-Gas-Einsatz vor dem Gebäude, als die Besetzer_innen es verlassen und einige Unterstützer_innen, die sich auf dem Vorplatz versammelt haben, zu ihnen wollen. Diese öffentliche Präsenz habe, so erklärten die Besetzer_innen später in einem Tweet, verhindert, dass Personalienfeststellungen durchgeführt werden konnten. Lediglich eine Person sei zu diesem Zweck festgenommen worden, aber inzwischen wieder frei. Vier andere Personen befinden sich nach einer Festnahme am Vortag in Polizeigewahrsam.

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Calais Solidarität

Räume der Solidarität: Aktivist_innen besetzen Häuser in Calais

Die Besetzer_innen veröffentlichten am 7. Februar dieses Foto des besetzten Wohnblocks in Calais. (Foto: Calais Logement pour Tous.tes)

Im zeitlichen und politischen Kontext der Commémoraction-Demonstration am 6. Februar besetzten Aktivist_innen zwei Häuser in Calais: ein leerstehendes Wohnhaus in der Rue Frédéric-Sauvage im Stadtteil Fontinettes und einen zehnstöckigen Wohnblock in der Rue d’Ajaccio im Stadtteil Fort-Nieulay. In diesem Gebiet im Westen der Stadt bestehen seit mehreren Jahren informelle Camps von Geflüchteten. Obschon die Besetzungen offenbar bereits einige Tage früher durchgeführt wurden, machten die Aktivist_innen sie erst am 7. Februar öffentlich. Gleichzeitig erklärten sie ihre Solidarität mit den Geflüchteten und anderen Menschen in prekären Verhältnissen, baten um überregionale Unterstützung – und sehen sich zur Stunde durch ein massives Polizeiaufgebot belagert.