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Channel crossings & UK

Verschärftes Einwandungsrecht für die Post-Brexit-Phase

Ohne großes öffentliches Aufsehen hat die britische Regierumg eine Verschärfung der Einwanderungsbestimmungen vorgenommen, die zum Vollzug des Brexit am Jahreswechsel 2021/21 in Kraft treten wird. Kern der neuen Bestimmungen ist eine Drittstaatenregelung, nach der Asylanträge ab dem 1. Januar 2021 als „unzulässig“ gelten, wenn die Person über ein „sicheres Drittland“ bzw. über die EU nach Großbritannien gelangt ist; außerdem erlaubt die Regelung unter bestimmten Umständen die Abschiebung in beliebige Drittländer. Die Verschärfung richtet sich u.a. gegen die Bootsmigrant_innen auf der Kanalroute und kann, wie die französisch-britische Vereinbarung vom 28. November 2020 (siehe hier), als Baustein des Post-Brexit-Grenzregimes angesehen werden. Faktisch wird sie die Rechtsunsicherheit von Migrant_innen in Großbritannien erhöhen und ihnen ein Leben in limbo zumuten.

Die Verschärfung erfolgt unterhalb der Gesetzesebene, nämlich als Änderung der Ausführungsbestimmungen des Immigration Act 1971. Ihr Inhalt geht aus einem Statemtemant of Changes in Immigration Rules an das Parlament und einem erläuternden Memorandum, beide vom 10. Dezember 2020, hervor. Darin heißt es, die neuen Vestimmungen ersetzten die Dublin-Verordnung der EU, die nach dem Auslaufen der Brexit-Übergangsphase zum Jahresende für Großbritannien nicht mehr gilt. Die Neuregelung, so heißt es weiter, sei nicht Teil eines möglichen Abkommens mit der EU.

Im Mittelpunkt der Verschärfung steht eine Drittstaatenregelung, deren Ziel das Memorandum wie folgt umreißt: „[…] to treat as inadmissible to the UK asylum system the claim of someone who has travelled through or has a connection to a safe third country; this will include individuals coming from EU Member States.“ Das Memorandum führt hierzu aus, dass einen Asylantrag bislang nur dann als unzulässig eingestuft werden konnte, wenn der Drittstaat, durch den der/die Antragsteller_in gereist, dessen Rückübernahme zugestimmt habe – was innerhalb der EU der Logik der Dublin Verordnung entspricht. Durch die Aufhebung dieser Bedingung solle nun eine abschreckende Wirkung erzeuget werden und zugleich Abschiebungen forciert werden. Und zwar, so die Vorstellung der britischen Regierung, in einen beliebigen Drittstaat, sofern dieser zustimme: „A stronger approach to disincentivise individuals is needed to deter claimants leaving safe third countries such as EU Member States, from making unnecessary and dangerous journeys to the UK. The changes separate the readmission requirement from the inadmissibility decision, allowing us to treat applicants as inadmissible based solely on whether they have passed through one or more safe countries in order to come to the UK as a matter of choice. They will allow us to pursue avenues for their removal not only to the particular third countries through which the applicant has travelled, but to any safe third country that may agree to receive them.“

Wie die Zeitung Guardian ergänzt, werde die Neuregelung auch verhindern, dass Asylsuchende einen Antrag in den Hoheitsgewässern Großbritanniens stellen können. Das Blatt zitiert außerdem den zuständigen Staatssekretär Chris Philp mit einem Statement, das auf die Channel migrants bezug nimmt: „There is no reason to leave a safe country like France to make a dangerous crossing. These measures send a clear message and are just one of the steps th​e government is taking to tackle the unacceptable rise in small boat crossings.“ Erklärtes und zugleich verfehltes Ziel des britischen Innenministeriums ist es, die Zahl der Bootspassagen auf Null zu reduzieren.

Auch die aktuelle Neuregelung könnte, so der Guardian, an einem entscheidenden Punkt ins Leere laufen: Denn Abkommen mit Drittstaaten, in denen diese einer Abschiebung zustimmten, gebe es gar nicht. Für die Betroffenen hätte der faktische Ausschluss aus den Asylverfahren als vor allem eine Leben in der Schwebe zur Folge. „The policy is pointless because the govt has negotiated no such return agreements, so all it does is delay decisions on all claims, which is cruel to genuine refugees, and delay removal of non genuine cases,“ zitiert das Blatt den auf Asylrecht spezialisierten Anwalt Colin Yeo.

Organisationen der britischen Flüchtlingssolidarität verurteilten die Neuregelung scharf und wiesen darauf hin, dass sie gegen internationales Flüchtlingsrecht, insdbesondere gegen die auch in der Post-Brexit-Phase für Großbritannien geltende Genfer Flüchtlingskonvention, verstoße.