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Identifizierung der Opfer der Havarie

[Updated, 19. Dezember 2021]

Drei Wochen nach der tödlichen Havarie ist mehr über die Identität der Opfer bekannt. Wie die Pariser Staatsanwaltschaft am 14. Dezember 2021 mitteilte, konnten 26 der 27 tot geborgenen Personen identifiziert werden. Kurz darauf konnte auch die Identität der letzten Person geklärt werden. Demnach waren 16 der Todesopfer Kurd_innen aus dem Irak, vier kamen aus Afghanistan, drei aus Äthiopien und je eine Person aus Somalia, Ägypten, Vietnam und dem kurdischen Teil des Iran. Die jüngsten Opfer waren ein 7jähriges Mädchen und 16jähriger Junge, beide aus dem kurdischen Teil des Irak, die beiden ältesten ein 46jähriger Mann aus Äthiopien und eine gleichaltrige Frau aus dem Nordirak. Insgesamt sieben der erwachsenen Opfer waren Frauen und 18 Männer.

Der Mitteilung der Staatsanwaltschaft ging ein Abstimmungstreffen zwischen der Juridiction nationale chargée de la lutte contre la criminalité organisée (JUNALCO; Nationale Gerichtsbarkeit zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität) und der Ermittlungs- und Identifizierungseinheit der Gendarmerie Maritime am 13. Dezember voraus. Zugleich teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass die Bestattungsgenehmigungen für alle Opfer einschließlich der zunächst nicht identifizierten Person erteilt worden seien. Die Kurdische Regionalregierung im Nordirak hatte bereits am 12. Dezember erklärt, dass sie alle kurdisch-irakischen Opfer in ihre Herkunftsregion überführen wolle.

Die Erkenntnisse der Behörden decken sich ungefähr mit den Schilderungen der beiden überlebenden Männer, die beispielsweise vom Tod eines Mädchens oder der Anwesenheit eines jungen Ägypters berichtet hatten. Andere, vor allem in den Stunden und Tagen nach der Havarie kolportierte Angaben hingegen bestätigten sich nicht. So befand sich unter den Opfern keine schwangere Frau, wie verschiedene Medien und Politiker_innen es zunächst berichtet hatten.

Die Identität einzelner Personen ist schon länger bekannt. Als erstes namentlich bekanntes Opfer gilt die 24 Jahre alte Maryam aus dem Nordirak, die sich auf dem Weg zu ihrem bereits in Großbritannien lebenden Verlobten befand, um ihn zu heiraten. Wie der Blog InfoMigrants zusammenfasst, hatte sie sich bei der britischen Botschaft zunächst vergeblich um ein Visum bemüht und war dann über die Türkei, Italien und Deutschland nach Nordfrankreich gereist: „Erst in letzter Minute teilte sie ihrem Verlobten mit, dass sie an Bord eines Schlauchboots gehen würde. Die beiden Liebenden tauschten während des größten Teils der Fahrt Snapchat-Nachrichten aus und Maryam achtete darauf, ihre GPS-Position mitzuteilen, damit ihr Partner ihre Reise verfolgen konnte. Dieser erlebte praktisch ihren Tod direkt mit.“

Inzwischen wurde auch die Namen weiterer Opfer bekannt. Die Zeitung Libération versuchte, als ein Art des Repekts ihre Biographien nachzuzeichnen: „Sein Name war Husain. Er war 24 Jahre alt, kam aus Afghanistan und träumte davon, lange Spaziergänge auf saftig grünen englischen Wiesen machen zu können, ohne um seine Sicherheit fürchten zu müssen. Er starb am 24. November in der Mitte des Ärmelkanals. Ihr Name war Maryam. Sie war ebenfalls 24 Jahre alt. Sie kam aus dem irakischen Kurdistan und hegte den Plan, mit ihrem Geliebten einen Friseur- und Nagelpflegesalon jenseits des Ärmelkanals zu eröffnen. Sie starb in demselben behelfsmäßigen Boot. Ihr Name war Hasti. Sie war sieben Jahre alt und kam ebenfalls aus dem irakischen Kurdistan. Sie verlor ihr Leben zusammen mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihrer Schwester.“

In diesem Sinne möchten auch wir die Namen nennen. Nicht alle wurden, soweit wir wissen, bislang öffentlich bekannt. Jedoch diese:

  • Mhabad Ahmad Ali, 32 Jahre alt,
  • Husain Tanha, 24 Jahre alt,
  • Bryar Hamad Abdulrahman, 23 Jahre alt,
  • Hasty Rzgar Hussein, 7 Jahre alt,
  • Muhammad Naeem Mayar, 46 Jahre alt,
  • Afrasia Ahmed Mohammed Akoi, 27 Jahre alt,
  • Hassan Mohammed Ali, 37 Jahre alt,
  • Serkaut Perot Muhammad, 28 Jahre alt,
  • Shawali Kochy, 26 Jahre alt,
  • Didar Ahmad, 27 Jahre alt,
  • Bilind Shukir Baker Zewki, 20 Jahre alt,
  • Mohammed Qadir Awla, 21 Jahre alt,
  • Mohammed Hussein Mohammed, 19 Jahre alt,
  • Rezhwan, Yasin, Hassan Hassan, 19 Jahre alt,
  • Kazhal Ahmed Khidhir al-Jammoor, 46 Jahre alt,
  • Shaker Ali Pirot, 30 Jahre alt,
  • Mubin Rzgar Hussein, 16 Jahre alt,
  • Muslim Ismael Hamad, 16 Jahre alt,
  • Maryam Nouri Mohammedameen, 24 Jahre alt,
  • Hadiya Rzgar Hussein, 22 Jahre alt.

Die genauen Umstände der Havarie sind weiterhin ungeklärt. Dies gilt auch für die Frage, ob sich das Boot noch in französischen oder, wie die beiden Überlebenden berichteten, bereits in britischen Gewässern befand und warum Notrufe der Passagier_innen über Stunden hinweg nicht zu einem adäquaten Rettungseinsatz führten (siehe hier und hier).