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Channel crossings & UK Dunkerque & Grande-Synthe

Prozess um tödliche Havarie im Oktober 2020

Am 27. Oktober 2020 ereignete sich die bis dahin schlimmste Havarie auf der Kanalroute. Damals ertranken im Seegebiet vor Loon-Plage bei Dunkerque sieben Menschen, unter ihnen eine fünfköpfige Familie mit ihren drei Kindern; der Leichnam des jüngsten Kindes, das 15 Monate alt war, wurde erst Monate später an der norwegischen Küste angespült (siehe hier, hier und hier). Am 20. Januar 2023 fand in Dunkerque nun der Strafprozess gegen drei Schleuser und einen Geflüchteten statt, der das Boot gesteuert haben soll. Das Gericht sprach Haftstrafen zwischen zwei und neun Jahren aus.

Ein Überlebender der Havarie schilderte vor Gericht den Hergang der Katastrophe. Wie die Regionalzeitung La Voix du Nord seine Aussage wiedergibt, mussten die Passagier_innen zunächst acht Stunden von Grande-Synthe bei Dunkerque durch die Nacht laufen, bevor das Boot bei Gravelines bei riskantem Wetter in See stach. Es handelte sich ein 4,5 Meter langes Freizeit-Fischerboot, das für vier Personen ausgelegt und lediglich für Binnengewässer vorgesehen war. Transportiert wurden 22 Personen. Die Passagier_innen mussten für die Überfahrt zwischen 2.000 und 2.500 Euro zahlen.

Das Boot kenterte in einer Entfernung von etwa fünf Kilometern von der französischen Küste bei stürmischer See. „Man sah Wellen, die höher waren als das Boot, das Wasser zog. Wir schöpften mit einer Schüssel. Dann kippte es um. Mehrere Menschen befanden sich darunter. Wir hatten keine Schwimmwesten,“ zitiert die Zeitung den Überlebenden. Er beschrieb das Ertrinken eines iranischen Mannes, der nicht schwimmen konnte, und die Versuche, die in der Kabine des havarierten Boots eingeschlossene Familie mit ihren drei Kindern zu befreien.

Nach ihrer Rettung kooperierten die Überlebenden mit den Behörden, was aufgrund des massiven Drucks, unter dem Geflüchtete gerade im Raum Dunkerque stehen, selten geschieht. Durch ihre Aussagen wurde, so ein früherer Bericht, wenige Tage nach der Havarie der mutmaßliche Steuermann des Bootes festgenommen. Danach konnte der lokale Organisator identifiziert und sein in Dänemark lebender Auftraggeber ermittelt werden. Dieser wurde im August nach Frankreich ausgeliefert, kurz darauf überstellten die dänischen Behörden einen weiteren Mann, der als dessen rechte Hand angesehen wurden. Alle vier Männer sind iranische Kurden. Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung, Beihilfe zum illegalen Aufenthalt in einer organisierten Bande und Gefährdung des Lebens Anderer.

Der lokale Organisator wurde zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt. Er hatte seit dem Spätsommer 2020 im Gebiet zwischen Calais und Dunkerque gearbeitet und galt als gewalttätig. Die Zeitung beschreibt ihn als „einen kleinen Gefreiten, der Cash kassierte. Er selbst hat nach seiner Festnahme alles ‚verpfiffen‘. Er nannte die Namen seiner Auftraggeber, Rauf Rahimifar und Hoshiar Khezri, zwei in Dänemark ansässige Personen mit iranischer Staatsangehörigkeit. […] Die Ermittlungen ergaben, dass sie regelmäßig an die Küste fuhren, um die Überfahrten zu überwachen. Ihre Fahrzeuge wurden identifiziert. Die abgehörten Telefongespräche waren erdrückend, insbesondere am Tag des Schiffbruchs.“ Rahimifar wurde zu Haftstrafen von neun Jahren, Khezri zu fünf Jahren verurteilt.

Das Gericht verurteilte außerdem einen Geflüchteten, der zur Finanzierung seiner eigenen Überfahrt das Steuer des Bootes geführt haben, zu einer Haftstrafe von zwei Jahren.