Bislang ist es der französischen Polizei und Gendarmerie nicht erlaubt, Schlauchboote an der Kanalküste zu stoppen, wenn diese sich bereits auf See befinden. Denn ein solches Vorgehen würde Havarien provozieren und Menschenleben gefährden. Medienberichten zufolge wollen französische Behörden nun jedoch den Einsatz von Netzen gegen Schlauchboote testen.
Schlagwort: Migrationspolitik
Eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung
Vor einem Jahr intensivierten Deutschland und Großbritannien ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Migration auf der Kanalroute. Die Bundesrepublik spiele, so hieß es, nun eine Schlüsselrolle. Was ist daraus geworden? Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Bünger zeigt: Deutschland räumt der Kanalroute keine sehr hohe Priorität ein. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit stehen weiterhin polizeiliche Maßnahmen gegen organisierte Schleusungen, die auf die Bereiche Finanzen und Social Media erweitert werden. Das deutsche Strafrecht wird verschärft werden, um Schleusungen über den Ärmelkanal zu kriminalisieren. Die multilateriale Calais Group fungiert als Forum, um neue zwischenstaatliche Abkommen einzuspielen. In einigen Bereichen, die vor einem Jahr noch priorisiert wurden, scheint hingegen nicht viel geschehen zu sein.
Teil 2: Reform UK und Restore Britain: Von „Mass Deportations“ zur „Deportation NATO“

Die Verheißung von Massendeportationen und Razzien im Stile der US-Behörde ICE ist zu einem Bindeglied konservativer und rechtsextremer Akteure in Großbritannien geworden. Im ersten Teil dieser Serie behandelten wir die migrationspolitische Apokalyptik Donald Trumps und das Einschwenken der britischen Tories auf diese Linie. Dies zeigte sich im Borders Plan der Partei vom 5. Oktober 2025, der die Deportation von 750.000 Menschen vorsieht (siehe hier). Im zweiten Teil beschäftigen wir uns mit der Farage-Partei Reform UK und der neu gegründeten Organisation Restore Britain, die den bislang umfassendsten und extremsten Masterplan für Massendeportationen vorgelegt hat. Bis zu 2 Millionen Menschen sollen im Fall einer rechten Machtübernahme aus dem Vereinigten Königreich vertrieben und eine „Deportation NATO“ geschaffen werden.
Teil 1: Trump, die Tories und ihr Borders Plan

Mit der Massenkundgebung Unite the Kingdom am 13. September wurde der Vorbildcharakter der US-amerikanischen MAGA-Bewegung für radikalisierte Konservative und extreme Rechte in Großbritannien offensichtlich – ebenso ihr Wille zur Erlangung der Macht (siehe hier). Wir beobachten eine choreografierte Agitation, in der die small boats zum Symbol des Untergangs erklärt und zum Feind in einem endzeitlichen Kampf stilisiert werden. Vor dem Hintergrund treten konvervative und rechtsextreme Akteure mit Konzepten für Massendeportationen nach dem Vorbild der Trump-Administration an die Öffentlichkeit, die den Rahmen einer menschenrechtlich gebundenen und rechtstaatlich verfassten Ordnung aufsprengen: Blaupausen für mögliche Staatsverbrechen, deren Bedeutung weit über die Migration hinausweist.
Wir werden uns diesen Konzepten in einer kleinen Serie widmen, deren erste Folge die migrationspolitische Apokalyptik Donald Trumps und die Radikalisierung der Tories hin zum Borders Plan von Oktober 2025 umreisst.
Mahnmal aus Schuhen

Am Strand von Calais entstand am 20. September 2025 ein temporäres Mahnmal: 518 Paar Schuhe, im Sand angeordnet, erinnerten an die mindestens 518 Menschen, die seit 1999 im Zusammenhang mit der Migration auf der Kanalroute ihr Leben verloren haben.
Im Rahmen des im Juli vereinbarten „One in, One out“- Abkommen sollten am Montag, 15.09.2025, erstmals Menschen, die in „kleinen Booten“ über den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien kommen, abgeschoben werden. Nur einen Tag nach der rechtsextremen Großdemonstration mit über 100.000 Teilnehmenden in London stoppten Gerichte die ersten geplanten Deportationen.

Die Londoner Innenstadt wurde am 12. September 2025 zur Bühne einer der größten Massenkundgebungen der britischen Geschichte. Sie war Ausdruck rechtsextremer Umsturzfantasien, die sich der Migrationsthematik bedienten, um eine britische Spielart der US-amerikanischen MAGA-Bewegung zu etablieren. Überlagert und verstärkt wurde der Effekt durch den Rummel, den die Trump-affine Rechte nach der Ermordung des amerikanischen Aktivisten Charles Kirk am 10. September entfachte. Innerhalb dieser Ereignisfolge spielt die Forderung nach einem Stoppen der Bootspassagen im Ärmelkanal nicht unbedingt eine zentrale, aber dennoch eine verbindende Rolle. Genau dies integriert sie in die Agenda einer transatlantischen Bewegung gegen die Demokratie.
Das neue britisch-französische Abkommen: Die erste Woche.
Eine Woche nach dem Inkrafttreten der bilateralen Vereinbarung (siehe hier), die Großbritennien erstmals seit dem Brexit Abschiebungen nach Frankreich ermöglicht, ist nur wenig über die Umsetzung bekannt. Die britische Regierung meldete die Festnahme erster Bootspassagier_innen und schaltete ein Formular für legalen Einreise aus Frankreich frei. Gleichzeitig bereiten zivilgesellschaftliche Akteure die juristische Anfechtung der Abschiebungen vor. Ein Effekt auf die Zahl der Bootspassagen bleibt erwartungsgemäß aus.
„Einer raus, einer rein“
Ein neues britisch-französisches Abkommen ermöglicht die Abschiebung von Bootsflüchtlingen. Eine Inhaltsangabe.
Nach einem jahrelangen politischen Tauziehen trat am 6. August 2025 ein britisch-französisches Abkommen in Kraft, das Abschiebungen einer begrenzten Zahl von Bootsflüchtlingen aus Großbritannien nach Frankreich ermöglichen soll. Gleichzeitig soll dieselbe Zahl in Frankreich lebender Migrant_innen ein Visum für Großbritannien erhalten – ausgenommen alle, die mit einer Bootspassage in Verbindung gebracht werden können. Dieses sogenannte One-in one-out-Modell zielt politisch nicht nur darauf ab, Bootsflüchtlinge durch die Aussicht auf Inhaftierung und Abschiebung abschrecken, sondern ebnet den Weg zur Integration des Vereinigten Königsreichs in das Migrationsregime der EU. Bis dahin bleibt es jedoch ein zeitlich befristeter Testballon, von dem nur ein Bruchteil der Channal migrants betroffen sein wird.
Ein Einsatzprotoll der französischen Leitstelle CROSS Gris-Nez verdeutlicht die Risiken, die einem systematischen Stoppen der Schlauchboote im küstennahen französischen Gewässer verbunden wären. Eine solche Praxis soll nach dem britisch-französischen Gipfel vom 10. Juli künftig legalisiert werden (siehe hier), wird aber faktisch bereits praktiziert. Das dem britischen Guardian vorliegende Protokoll dokumentiert, dass ein von französischen Gendarmen durch Stiche beschädigtes Boot den Ärmelkanal dennoch überquerte und einige Stunden aus dem Blick der Rettungsleitstelle geriet.