Südlich von Boulogne-sur-Mer filmte die BBC am 4. Juli 2025, wie französischen Gendarmen ein schwimmendes Schlauchboot aufstachen. Bereits im Juni hatte Utopia 56 eine vergleichbare Situation in einem anderen Küstenabschnitt dokumentiert (siehe hier). Das aktive Stoppen von Booten, die sich bereits im Wasser befinden, ist illegal. Wenige Tage vor dem Besuch Emanuel Macrons bei Keir Starmer deutet dessen Sprecher den BBC-Bericht als Anzeichen dafür, dass Frankreich eine solche Praxis schon bald legalisieren könnte.
Schlagwort: Migrationspolitik
In der ersten Jahreshälfte überquerten rund 20.000 Menschen den Ärmelkanal in unsicheren Schlauchbooten. Es ist der höchste Wert, der für diesen Zeitraum je registriert wurde, aber die Entwicklung war seit Monaten absehbar. Parallel dazu zeichnet sich ab, dass die extreme Rechte die small boats für ihr Vorhaben nutzen wird, an die politische Macht im Vereinigten Königreich zu gelangen – eine noch vor Monaten nur schwer vorstellbare Situation.
Pöbeln, drohen, filmen: UKIP in Calais

Eine Gruppe britischer Rechtsextremisten um Nick Tenconi, den Anführer der UK Independence Party (UKIP), provozierte 4. Juni 2025 an einer Verteilungsstelle für Nahrung und Hilfsgüter in Calais. Aggressiv auftretend, drohte er Geflüchteten, provozierte Helfer_innen und filmte die Szene für eine Spendenkampagne, die weitere Aktionen in Nordfrankreich ermöglichen soll. Ob dies gelingt, ist zweifelhaft, doch rückt die Kanalroute stärker in den Fokus der extremen Rechten.

Jüngst vorgelegte Daten der EU-Grenzagentur Frontex zeigen einen Rückgang der versuchten Grenzpassagen auf allen Migrationsrouten in die EU. Im Durchschnitt betrug der Rückgang etwa ein Viertel gegenüber dem Vorjahr, divergierte aber regional stark. Eine Migrationsroute bildet jedoch eine Ausnahme: Es ist der Ärmelkanal. Die Zahl der Passageversuche ist dort nicht zurückgegangen, sondern leicht angestiegen. Auch ist die Kanalroute ist nun diejenige, auf der die meisten Passageversuche registriert wurden.
Absehbare Zielscheibe

Mit einem geplanten Rücknahme-Abkommen zwischen Großbritannien und Frankreich will die Labour-Regierung Handlungsfähigkeit bei der Bekämpfung der Kanal-Überquerungen demonstrieren. Dass ihr das gelingt, ist allerdings äußerst unwahrscheinlich.
Am Ende des Londoner Gipfels gegen sogenannte „Organisierte Einwanderungskriminalität“ (Organized Immigration Crime; OIC; siehe hier) gab die britische Regierung zwei weitere internationale Initiativen bekannt. Sie betreffen die künftige Zusammenarbeit einerseits mit den USA, Schweden, Tunesien, Albanien und Vietnam, andererseits mit Serbien.

Die britische Regierung verstärkt ihren Ansatz, die Problematik der Kanalroute zu internationalisieren. Am 31. März und 1. April 2025 lud sie Vertreter_innen von über 40 Staaten, darunter die USA, internationalen Organisationen und Technologieunternehmen zum Organized Immigration Crime Summit ein. Premierminister Keir Starmer rief zum gemeinsamen Kampf gegen die sogenannte „Organisierte Einwanderungskriminalität“ (Organized Immigration Crime; OIC) auf. Gleichzeitig gab seine Regierung einige neue Maßnahmen bekannt und rückte die Migrationsbekämpfung in einem ganz anderen Teil der Welt in den Blick: dem Seegebiet vor Haiti. Hier eine Einschätzung des ersten Gipfeltages.
Zum ersten Mal seit 2020 (siehe hier) besuchten die Innenminister_innen Frankreichs und Großbritanniens am 27. Februar 2025 die nordfranzösische Küste, um über die Bekämpfung der irregulären Migration zu sprechen. Ihre Reise gibt einen Einblick in die Vorhaben der kommenden Monate, wirft aber zugleich ein Schlaglicht auf Verwerfungen innerhalb der gemeinsamen Grenzpolitik.
Die britische Regierung konkretisiert ihre Pläne für verschärfte gesetzliche Reglungen gegen Bootspassagen. Vorgesehen ist u.a. die Einführung eines Straftatbestandes „Gefährdung von Leben auf See (Endangering lives at sea)“, der die schon gängige Kriminalisierung der Steuerleute auf andere Bootspassagier_innen erweitern könnte. Deutschland könnte die migrationspolitische Verschärfung flankieren, indem es eine Reglungslücke im deutschen Strafrecht schließt und die undokumentierte Einreise nach Großbritannien kriminalisiert.
Die britische Regierung kündigt ein neuartiges Instrument zur Bekämpfung der „irregulären Migration“ an: Sanktionen gegen Schleusernetzwerke und Akteure, die von Bootspassagen am Ärmelkanal profitieren. Dies, so die Regierung, sei weltweit einzigartig und werde das Geschäft der Schleuser_innen im Kern treffen. Dabei bestehen Zweifel, ob dies gelingen kann. Indirekt könnte es einen populistischen Blick auf Migration verstärken.