Um Geflüchtete aus der Innenstadt von Calais zu verdrängen, ließ die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr rund 600 schwere Steine aufschütten und in einer bestimmten Formation anordnen. So entstand eine bizarre Steinlandschaft beiderseits der historischen Quais, eine radikale antimigrantische Zwecklandschaft im Herzen der Stadt (siehe hier und hier). Am 1. März 2023 wurde die Anlage weiter ausgebaut. Ihr Zweck besteht darin, das Aufstellen von Zelten unmöglich zu machen und zivilgesellschaftliche Versorgungsinfrastrukturen zu blockieren.
Schlagwort: Calais Food Collective
Gericht stoppt Hilfsverbote
Seit 2020 galt in Calais fast ununterbrochen ein Verbot kostenloser Wasser- und Nahrungsverteilungen an Exilierte, sofern diese Hilfe in bestimmten Teilen der Stadt und ohne staatlichen Auftrag erfolgte. Faktisch war es unabhängigen Organisationen damit untersagt, lebenswichtige Hilfe dort zu leisten, wo sie gebraucht wird: bei den Camps. Eine Klage der betroffenen Organisationen hatte nun Erfolg: Das Verwaltungsgericht in Lille hob die Verbotsverfügungen der Präfektur auf. Die Solidaritätsbewegung hat auf einem wichtigen juristischen Konfliktfeld damit einen Sieg errungen.
Ende Juni teilten die Human Rights Observers mit, dass sie in Calais seit Jahresbeginn bereits 907 Zwangsräumungen informeller Lebensorte von Exilierten dokumentiert haben. Allein für den Monat Mai sind 165 Räumungen belegt. Im Jahr 2021 waren es mehr als 1.200 und 2020 etwa 1.000 Räumungen, jeweils im gesamten Jahr (siehe hier und hier). Die Anzahl der Vorjahre dürfte nun also bereits im Sommer erreicht werden und es scheint beinahe, so die Menschenrechtsgruppe, als wolle die Präfektur des Pas-de-Calais „ihren Rekord aus dem Vorjahr brechen“. Im krassem Gegensatz zu diesem Aufwand steht ein fehlender Zugang zur elemtaren Ressource Wasser.
Wasser ist politisch (3)
Zum zweiten Mal haben Exilierte und Freiwillige am Abend des 23. September 2021 die Barriere aus schweren Felsklötzen fortgeräumt, die von den Behörden kurz zuvor ebenfalls zum zweiten Mal erreichtet worden war. Mit den Steinen soll die Organisation Calais Food Collective daran gehindert werden, einen Tank anzufahren und zu befüllen, der für rund 600 bis 700 Bewohner_innen eines Camps der einzige Zugang zu frischem Trinkwasser ist. Mehrfach wurde der Tank außerdem von der Polizei zerstört (siehe hier und hier). „Dabei ist der Zugang zu sicherem und sauberem Trinkwasser ein Menschenrecht. Offenbar nicht in Calais“, so die Fotografin Julia Druelle, deren Bilder wir hier zeigen.
Wasser ist politisch (2)
Als das Calais Food Collective am 18. August 2021 einen Tank zur Versorgung eines Camps in der Calaiser Nachbargemeinde Coquelles mit Trinkwasser aufstellte, dauerte es einen Tag, bis ein Polizist den Behälter durch einen Schnitt sabotierte. Drei Wochen später blockierte die Gemeinde die Zufahrt, die für das tägliche Befüllen des Behälters benutzt wird, mit schweren Felsklötzen (siehe hier). Die groteske Auseinandersetzung um den Tank, der für die rund 600 bis 700 Bewohner_innen des Camps die einzige Trinkwasserquelle ist, geht weiter.
Wasser ist politisch
[Mit einem Update, 9. September 2021] Es kommt vor, dass ein einzelnes Detail eine komplexe Situation repräsentiert. Ein solches Detail ist ein wenige Zentimeter langer Messerschnitt durch die Wand eines Trinkwasserbehälters, den das Calais Food Collective vor einigen Tagen aufgestellt hatte.